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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen
Autoren: P Dempf
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Leben nehmen, vielleicht auch – wenn sie als Arzt und Bader geschickt genug waren – Leben verlängern. Aber Leben geben? Das konnten nur Gott und – bei diesem Gedanken lief es Jan eisig den Rücken hinab und er wäre die letzten Stufen beinahe hinuntergestolpert – die großen Magier unter den Alchemisten. Hinter vorgehaltener Hand munkelte man von Experimenten in der Goldenen Gasse, von Humunculi und Golems und anderen dienstbaren Wesen, die in Flaschen gezüchtet und aus Lehm geformt worden sein sollten. Doch gesehen hatte sie noch nie jemand.
    »Dann ist er ein mächtiger Alchemist?« Jan flüsterte nur.
    »Mächtiger als alle Herrscher dieser Welt zusammen«, zischte der Adlatus und spuckte in die Gosse. »Nur wenige können ihm das Wasser reichen.«
    »Ich habe noch nie von ihm gehört«, flüsterte Jan zurück. Das unheimliche Treiben der wirklich bedeutenden Magier am Hof des Kaisers sprach sich rasch unter der Bevölkerung herum. Schließlich arbeitete die halbe Stadt im Kaiserpalast.
    »Er war schon Hofmaler, Architekt, Bildner, Ingenieur und Organisator von Festen unter Kaiser Maximilian und seit zehn Jahren ist er Hofmaler Rudolfs II. Sie schätzen ihn, aber sie kennen noch nicht alle seine Talente. Er ist ein Gott …«
    Jan sah die Augen des Adlatus glänzen, als fiele von der Göttlichkeit seines Meisters ein Schein auch auf den Gehilfen. Doch dann verzog sich das Gesicht des Mannes zu einer wütenden Grimasse – und wieder spuckte er aus. Diesmal gegen eine Hausmauer, dass es zischte, als wäre der Speichel eine Säure.

    Jan wagte es nicht, sich noch einmal an Contrario zu wenden, um ihn zu fragen, was er mit seinem Satz gemeint hatte. Stumm wartete er an der Tür, ließ Contrario wieder die Führung übernehmen und folgte ihm.
    Weitere fünf Patienten besuchten Contrario und er noch an diesem Vormittag. Sie suchten dazu die äußersten Winkel der Stadt auf, liefen dorthin, wo die Stadtmauer bereits Lücken aufwies, weil niemand den Befehl gab, sie zu reparieren, dorthin, wo die Gelder der großen Prager Burg niemals hingelangten, wo das Goldene Prag zu einem Schutthaufen aus faulenden Balken und morschen Ziegeln zerfiel. Und jedes Mal geschah dasselbe. Sie betraten ein Wohnhaus, stiegen Treppen hinauf oder krochen in hinterste Winkel, in denen sie Menschen vorfanden, die kaum noch am Leben waren. Der Adlatus ließ einen aufs Äußerste geschwächten Menschen zur Ader und schüttete zuletzt das abgezapfte Blut auf die Gasse. Die Menschen, die diese Elenden pflegten, ertrugen stumm deren Leiden, obwohl sie oft finster und verbittert dreinschauten. Doch niemand widersetzte sich den Künsten Contrarios.
    Jan und der Adlatus bewegten sich bei ihren Krankenbesuchen langsam die Mauer entlang bis zur Karlsbrücke.
    Kurz vor dem Torturm am Aufgang zur Brücke ereignete sich das, was Jan längst erwartet hatte. Sie betraten in einem besseren Wohnviertel das Zimmer eines jüngeren Mannes. Es roch nach Schweiß und Urin, nach Eiter und – Tod. An seinem Bett saß eine junge Frau und wischte dem Kranken mit einem Tuch die Stirn ab. Die Augen, mit denen sie die beiden Ankömmlinge musterte, wirkten wie dunkle Höhlen im Weiß ihres Gesichts.
    Der junge Mann lag mit offenem Mund im Bett und schnarchte leicht. Das Laken war zur Seite gerutscht, sein Körper mit Schweiß bedeckt. Die Haut schimmerte wächsern.
Sein linker Arm hing überstreckt über die Bettkante, als warte er nur darauf, zur Ader gelassen zu werden.
    Contrario stellte seine Tasche ab. Jan konnte beobachten, wie sich auf seinem schiefen Gesicht eine Art Zufriedenheit einstellte. Ohne den jungen Mann aus den Augen zu lassen und sich um die Frau zu kümmern, griff er nach seiner Fliete.
    »Die Schale. Rasch!«, flüsterte er und kniete sich neben den Mann.
    Doch kaum hatte er das Messer angesetzt, polterte es im Treppenhaus draußen. Die Tür, die sie nur angelehnt hatten, wurde ganz aufgestoßen.
    »Was … um alles in der Welt …«, hörte Jan jemanden fluchen. Dann durchschnitt ein Schrei die Stille. Der Kranke zuckte zwar, erwachte jedoch nicht. Die Frau blieb einfach sitzen.
    »Wollt Ihr mich von meiner Arbeit abhalten?«, keifte Contrario.
    »Quacksalber! Scharlatan! Teufelsbrut!«, schrie der Kerl, der aussah, als wäre er dem Kranken wie aus dem Gesicht geschnitten, nur dass sein Gesicht hochrot angelaufen war und er höchst lebendig im Zimmer herumtobte. »Rühr meinen Bruder nicht an oder ich bring dich um!« Er packte Contrario am
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