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0607 - Piraten der Hölle

0607 - Piraten der Hölle

Titel: 0607 - Piraten der Hölle
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Das dumpfe Knarren des Holzes war nicht minder beunruhigend wie die monotonen, leiernden Gesänge der Sklaven, die angekettet im Schiffsbauch vor sich hin vegetierten.
    Wie brachten sie es nur fertig, zu singen, während sie darbten und dem Tode näher waren als dem Leben? Was machte sie so stark, trotz der Krankheiten, die sie heimsuchten, und der Ratten, die an ihnen zu fressen versuchten?
    »Manchmal kommt weniger als ein Viertel von ihnen lebend an«, hatte Kapitän Alfonso Vargaz gesagt. »Wer für diese lausigen Gestalten mehr als einen Golddukaten bezahlt, der muß völlig verrückt sein. Aber diese völlig Verrückten bezahlen viel mehr als einen Golddukaten.«
    Die MADONNA DE LOS ANGELES hatte guten Wind, aber die See war unruhig, und selbst ein paar der hartgesottenen Matrosen hatten ihr Mittagessen schon Neptun geopfert. Nur waren sie dabei nicht so dumm gewesen, sich gegen den Wind zu stellen wie die Handvoll Musketiere, die den Rotbärtigen nach Espanola und von dort aus weiter nach Louisiana eskortieren sollten, und die nun beim Kotzen den ganzen Segen wieder ins Gesicht bekommen hatten.
    Es kostete allerdings, so fand der recht beleibte Mann mit dem rötlichen Vollbart, auch einige Überwindung, sich mit dem Rücken zum Wind zu stellen. Man hatte immer das Gefühl, von der nächsten Bö über Bord geweht zu werden…
    Vargaz hinkte heran.
    »He, Barbarossa«, sagte er und hieb dem Bärtigen die Hand auf die Schulter.
    Dem gefiel diese Anbiederung gar nicht.
    »Ihr solltet etwas gegen Eure burschikose Art tun, Capitano Vargaz«, sagte der Rotbärtige. »Eines Tages geschieht’s noch, daß Euch wer den Degen in den Wanst sticht, weil er sich von Euch beleidigt fühlt. Und das dann sicher nicht ganz zu Unrecht.«
    Vargaz lehnte sich an die hölzerne Reling des schwankenden Schiffes. »Sehe ich’s richtig, daß Ihr glaubt, daß Ihr dieser Jemand seid?« fragte er grinsend. »Wenn Ihr’s auch nur wagt, die Waffe wider mich zu erheben, knüpfen meine Leute Euch in die Rahen. Ich brauch’s ihnen nicht mal zu befehlen. Der Kapitän ist Gott auf seinem Schiff.«
    »Und ich bin der Teufel«, erwiderte der untersetzte, etwas dickliche Mann mit dem roten Bart grimmig. »Hat man Euch schon gesagt, daß Ihr Euer linkes Bein verliert?«
    »Unsinn«, knurrte Vargaz. »Es ist doch angewachsen. Wie soll ich’s da verlieren?«
    »Wenn Ihr es nicht alsbald von einem kundigen Docteur abschneiden laßt, werdet Ihr daran verrecken«, erklärte der Rotbart beinahe heiter. »Ich gehe mal davon aus, daß Euch diese Aussicht naturgemäß nicht gefallen wird. Und nun seid so freundlich, Euren Corpus einige Schritte beiseite zu schleppen, guter Mann. Euer Bein beliebt eine recht anrüchige Dünstung zu verbreiten, die meinem fein ausgeprägten Geruchssinn entschieden mißhagt.«
    Er zupfte ein aufdringlich parfümiertes Spitzentüchlein aus einer Tasche seines grünen Wamses und wedelte damit vor seiner roten Knollennase herum. Das mächtige Riechorgan verriet, daß sein Besitzer einem guten Tropfen nie ganz abgeneigt war. Sofern dieser Tropfen groß genug ausfiel.
    »Was ist Euch denn mit der riechbar dahinfaulenden Extremität widerfahren?« fragte er nun.
    »Extrewas?«
    »Bein. Das da. Das Ding im Stinkstiefel, auf dem Ihr zur Hälfte steht. Versteht Ihr?« Der Dicke wies mit behandschuhtem Zeigefinger auf das linke Bein des Kapitäns.
    »Akademisch gebildete Menschen pflegen derlei Gliedmaßen, als da sind Arme und Beine, als Extremitäten zu bezeichnen.«
    »Akademisch gebildete Menschen bohren sich auch mit dem Finger in der Nase, wenn sie glauben, daß keiner zuguckt«, murrte der Kapitän. »Beim Klabautermann - warum habe ich Euch bloß an Bord genommen?«
    »Weil Seine Majestät es Euch sicher danken wird«, belehrte ihn der Dicke.
    »Da pfeif ich drauf. Was scheren mich Majestäten? Geld ist es, das die Welt regiert. Bei meiner letzten Fahrt hat sich an dem Bein ein Hai versucht. Beim Versuch blieb’s, und danach habe ich den Hai gegessen.«
    »Sein Schmerz war sicher kürzer als Eurer. Ihr hättet die Wunde gleich behandeln lassen sollen. Jetzt ist’s zu spät. Jetzt hilft nur eine hurtige Amputation. Ich versteh’ Euch nicht. Wie kann ein Mann, der eines der schnellsten Schiffe Spaniens befehligt, so tumb sein?«
    »Ihr seid wirklich der Teufel«, knurrte Vargaz. »Ihr wollt mir Angst einjagen. Aber die Wunde heilt. Ein paar Wochen, und ich kann wieder richtig gehen.«
    »Wenn Ihr Euch dann ans Holzbein
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