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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen
Autoren: P Dempf
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außer dem Hemd nur noch eine ebenso löchrige Hose, die mehr sehen ließ, als sie verdeckte. Doch er riss sich die Lumpen in Windeseile vom Leib, warf sie zu Boden und griff nach dem Hemd …
    »Das gehört dem Waisenhaus«, murmelte Hajek und schnappte sich Jans löchriges Hemd. Wie nebenbei zischte er Jan dabei zu: »Hexenbalg!«
    Jan kümmerte sich nicht weiter darum. Hajek war sicher
kein schlechter Kerl und er schikanierte seine Schützlinge nicht schlimmer als andere Arbeitshausleiter. Doch sein Geiz kannte keine Grenzen.
    Jan schämte sich seiner Blöße. Er griff nach dem neuen Hemd, doch Contrario-Buntfinger zog es ihm blitzschnell vor der Nase weg, ging ein paar Schritte zurück und Jan musste hinter dem Kleidungsstück herlaufen. Da betrat Messer Arcimboldo ganz den Verschlag, packte Jan an der Schulter, drehte ihn herum und musterte den Rücken des Jungen.
    »Ich hab es gewusst!«, murmelte er beinahe unhörbar.
    Doch Jan hatte ihn verstanden. Er hatte ihn sogar gut verstanden, obwohl der Fremde in welscher Zunge gesprochen hatte. Das Welsche Italiens, wie seine Mutter. Jan wusste genau, worauf der Fremde schaute. Es war das Zeichen zwischen seinen Schulterblättern, das ihn zum Waisen gemacht und hierher verbannt hatte.
    »Ich … äh … das Mal … ist von meiner Mutter …« Mehr brachte er nicht heraus. Seine Kehle war wie zugeschnürt.
    »Zieh das Hemd über!«, befahl Messer Arcimboldo streng und wandte sich wieder ab. Doch Jan konnte beobachten, wie sich die Blicke der beiden Fremden kurz trafen. Messer Arcimboldos Augen schienen sich einen Lidschlag lang zu vergrößern.
    »Ich zahle den üblichen Preis«, sagte Messer Arcimboldo beiläufig. Jan wusste, der Fremde hatte seine Wahl getroffen – und sie war auf ihn gefallen. Die anderen Jungen links und rechts neben ihm murrten und stöhnten, während es ihm heiß übers Gesicht lief.
    »Er gehört zu meinen besten Gehilfen. Er ist treu und aufgeweckt, keiner dieser …«
    »Verschwendet nicht unsere und Eure Zeit, Hajek. Glaubt Ihr, ich bemerke nicht, dass Ihr ihn vorher ganz anders
beschrieben habt? Ich zahle Euch, was die Stadt üblicherweise verlangt, wenn man einen Waisenjungen zu sich in die Werkstatt nimmt.«
    »Herr!«, jaulte Hajek plötzlich auf und fiel sogar vor dem Fremden auf die Knie. »Er ist mehr wert, viel mehr. Ihr habt in ihm einen Stern …«
    »Oh, das weiß ich bereits«, sagte Messer Arcimboldo. »Ich habe von seinem Schicksal gehört.«
    Die Bemerkung ließ Hajek sofort verstummen. Er wusste genau, dass niemand Jan jemals in seine Werkstatt, geschweige denn in sein Haus aufnehmen würde, wenn bekannt wurde, wie seine Mutter gestorben war. Doch statt den Kopf demütig zu senken, blitzte Hajek Arcimboldo an. »Und jetzt holt Ihr ihn Euch und …«
    Ein schneller Schlag mit dem Handschuh beendete den Angriff. Hajek hielt sich den Mund, eine Lippe war leicht aufgeplatzt.
    Messer Arcimboldo öffnete den Verschlag und trat hinaus ins Licht. »Contrario, regle das. Ach ja, gib dem Halunken ein Silberstück mehr. Aber nur eines. Und nimm den Jungen sofort mit.«
    Jan verschlug es die Sprache. Sonst wurde gefeilscht und gestritten, wenn ein Junge mitgenommen wurde. Egal ob es für eine abgesprochene Zeit war oder für immer. Den Mund hatte sich Hajek noch nie verbieten lassen.
    Während der Ernte vermietete Hajek die kräftigeren Burschen an die Bauern der Umgebung. Das war eine harte, aber erfüllte Zeit. Die Tage begannen mit Sonnenaufgang und endeten erst bei völliger Finsternis, wenn nicht gerade der Mond aufging. Doch sie endeten mit sattem Bauch und dem wohligen Gefühl des Verdauens in den Gedärmen.
    »Starr keine Löcher in die Luft. Avanti !«
    Jan schreckte hoch. Die Formalitäten waren erledigt.
Jan gehörte jetzt dem vornehmen Herrn, der sich Messer Arcimboldo nennen ließ.
    Buntfinger schob ihn vor sich her aus der Tür, als müsse er sich beeilen, damit der Waisenhausleiter es sich nicht noch anders überlegte. Dennoch zögerte Jan an der Türschwelle. Wenn er die überschritten hatte, gehörte er nicht mehr hierher. Dann war er unterwegs in eine Zukunft, für die er ab sofort selbst verantwortlich war und von der er nur wenig bis nichts wusste.
    Noch bevor er für sich entscheiden konnte, über die Schwelle zu treten, trieb ihn ein Stoß in den Rücken hinaus auf den Hof. Seine Beine verhedderten sich, er stolperte und landete mit den Händen voraus auf dem Boden. Jetzt war er froh darüber, dass er und die
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