Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
 
     
    Prolog
     
    Der Tag verspricht, schön zu werden, so schön, wie der Herr gott sich den Sonntag bei seiner Erschaffung gedacht haben mag. Gedankt sei ihm, denn das Regenwetter der letzten Wo chen glich einer Sintflut und war eine Prüfung für jeder mann ...
    Doktor Christof Gottwald, weithin bekannt als Gelehrter und Sammler, seufzte vernehmlich und tauchte die Feder erneut in das große Tintenfass, das vor ihm auf dem Schreibpult stand. Dann setzte er die Eintragung in sein Tagebuch fort:
    Der erste Hahnenschrei ist eben verklungen. Mögen die Son nenstrahlen, die so golden über den Dächern von Danzig aufsteigen, ein gutes Omen sein für das, was der Tag mir bringt. Wenn alles so eintrifft, wie ich es erhoffe, dann ...
    Er brach erneut ab, aus Sorge, der Gedanke würde nicht Wirk lichkeit werden, wenn er ihn einfach so niederschriebe. Statt dessen endete er:
    Gott verzeih mir meinen Aberglauben, aber seit der vierten Morgenstunde flieht mich der Schlaf, und ich kann an nichts anderes mehr denken als an den bevorstehenden Besuch. Er hat mein Leben die letzten Tage, gelinde gesagt, auf den Kopf gestellt, wie sehr, mag allein daran zu erkennen sein, dass ich Tagebuch führe, bevor der Tag begonnen hat. Wir schreiben heute den 6. Maius, A. D. 1716, und ich gäbe viel darum, mei ne nächste Eintragung bereits jetzt zu kennen.
    Gottwald streute Löschsand auf das Geschriebene und rief nach der Hausmagd. »Lotte! Wie viel Uhr ist es?« Einige Zeit verging, bevor die Magd in der Tür zu seinem Stu dierzimmer erschien. Sie hatte gerade das Herdfeuer in der Küche angefacht und wischte sich die rußigen Hände an der Schürze ab. »Is noch früh, Herr.« »Das ist mir bekannt. Ich fragte nach der Uhrzeit.« »Weiß nich genau. Wieso, Herr?«
    »Darüber mach dir keine Gedanken. Geh wieder an deine Ar beit. Nein, warte, wie ist das Befinden der gnädigen Frau heute Morgen? Hast du nach ihr gesehen? Ist sie schon wach?« »Hm ja, Herr.«
    »Und? Ist sie noch immer unpässlich? Was macht ihr Fieber? Lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen!« Lotte knetete die Hände. Sie war eine brave Magd, aber das Pul ver hatte sie nicht erfunden. Ebenso wenig wie die freie Rede.. »Hm ja, Herr. Das Fieber is nich runter, un die Gnädige sacht, es geht ihr schlecht. Hm ja, vielleicht nich ganz so schlecht wie gestern, aber noch schlecht, ja, das hat sie gesacht.« Gottwald fühlte sich einigermaßen beruhigt. In gewisser Weise war er sogar froh, dass seine Frau das Bett weiterhin hüten musste, denn das Gespräch mit dem Besuch würde sich ohne sie besser führen lassen. »Schön, geh wieder in deine Küche.« »Ja, Herr.«
    »Halt, bleib! Ist drüben alles zu meiner Zufriedenheit? Ge putzt, gewischt, entstaubt? Du weißt, dass ich einen hohen Gast erwarte.«
    »Ja, Herr, ja doch. Habt mich wohl hunnertmal dran erinnert.« Lotte verschwand.
    Gottwald sah ihr stirnrunzelnd nach, klappte das Tagebuch zu und verstaute es in einer Schublade unter dem Schreibpult. Er ta t dies, ohne recht zu wissen, was er machte. Dann schritt er hinüber in sein Kabinett, um selbst nach der Uhrzeit zu sehen. • Allmächtiger, schon fast halb sieben!«, entfuhr es ihm. »Aber vorhin war es doch erst...«
    Er spürte, wie ihm das Herz bis zum Hals schlug und versuchte, ruhig durchzuatmen. Er durfte sich nicht so aufregen! Noch einmal ließ er den Blick über die Schränke, die Schatullen, die Schubladen und die Regale schweifen, in denen seine Kostbar keiten ruhten. Alles war aufs Trefflichste vorbereitet. Natürlich war es das. Seit Wochen schon, genau genommen seit dem Zeit punkt, als der mächtige Herrscher erstmals Interesse an seiner Sammlung bekundet hatte.
    Er hatte sich für sechseinhalb Uhr ansagen lassen, und es war bekannt, dass er Pünktlichkeit liebte. Wenn dem so war, musste er jede Sekunde eintreffen. Gottwald lief, die Hände auf dem Rücken, auf und ab und wurde trotz seiner guten Vorsätze im mer unruhiger. Dann zuckte er jäh zusammen. Es hatte kräftig an der Haustür geklopft. Kr stieß ein krächzendes »Ja, jaaa! Ich komme!« aus und hastete los, um zu öffnen. Fast hätte er dabei Lotte umgerannt, die ebenfalls auf dem Weg zur Tür war. »Aus dem Weg, los, los«, zischte er, »mach dich fort in deine Küche, und wehe, du lässt dich blicken!« -Huch, Herr, ja, aua ...«G ottwald stürzte weiter zur Tür, blieb kurz vor dem Garderob enspiegel stehen, aus dem ihm ein zierlicher Mann mit fransi gem Schnäuzer entgegenblickte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher