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Tod eines Lehrers

Tod eines Lehrers

Titel: Tod eines Lehrers
Autoren: Andreas Franz
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ihn ein elitäres Gefängnis, in das reiche Leute ihre verwöhnten Kinder schickten.
    Seine Ex hatte zwar Berufung eingelegt, indem sie die Begründung vorbrachte, er sei gar nicht in der Lage, gut für die Mädchen zu sorgen, da sein Beruf als Polizist mit den ungeregelten Arbeitszeiten das nicht zulasse, aber er führte als Gegenargument an, dass seine Eltern in der Buchhügelallee, die nur fünf Minuten zu Fuß von seiner Wohnung in der Elisabethenstraße entfernt war, wohnten und noch sehr rüstig waren und sich um Sarah und Michelle kümmern würden, wenn er einmal nicht zur Verfügung stand. Und das taten sie auch. Die Mädchen schliefen hin und wieder bei den Großeltern, meist jedoch in den eigenen Betten, weil Peter Brandt es fast immer schaffte, rechtzeitig zu Hause zu sein. Nach der Schule gingen die beiden in der Regel zu ihren Großeltern – außer wenn Brandt dienstfrei hatte –, aßen dort zu Mittag, machten ihre Hausaufgaben, trafen sich mit Freundinnen und wurden abends von ihrem Vater abgeholt. Sie führten ein relativ ruhiges Leben, jedenfalls ruhiger als zu den Zeiten, als ihre Mutter noch zur Familie gehörte, und sosehr Brandt die Trennung anfangs geschmerzt hatte, so wohler und befreiter fühlte er sich von Monat zu Monat.
    »Wo musst du denn jetzt schon hin?«, fragte sie mürrisch. »Beeil dich bloß, ich verpass sonst meinen Bus.«
    »Guten Morgen, liebste Sarah. Es gibt da einen Toten in Langen. Ich bin in fünf Minuten wieder draußen, und dann kannst du dich weiter deiner Schönheit widmen.« Er grinste, gab ihr einen Kuss auf die Stirn, drängte sich an ihr vorbei, erledigte seine Morgentoilette, wusch sich die Hände und das Gesicht, rasieren würde er sich erst am Abend. »Kannst du mir bitte zwei Toasts reinstecken?«
    »Hm.«
    Michelle kam verschlafen aus ihrem Zimmer, murmelte ein»Guten Morgen« und begab sich schnurstracks zum Gästeklo. Michelle hatte langes blondes Haar und war ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten, was kein Nachteil war, ganz im Gegenteil, doch glücklicherweise zeigte sie bis jetzt nicht deren Allüren. Sarah hingegen war ein eher südländischer Typ und sah seiner Mutter sehr ähnlich, einer Italienerin, die allerdings schon seit fast fünfzig Jahren in Deutschland lebte. Während Michelle ein ruhiges und sanftes Wesen hatte, war Sarah manchmal recht zickig und aufbrausend, aber ihr Beleidigtsein oder ihre Wut hielt meist nur wenige Minuten. Es reichte schon, sie in den Arm zu nehmen und ihr ein paar nette Worte zuzuflüstern, um ihre schlechte Laune zu vertreiben.
    Peter Brandt liebte seine Töchter über alles. Sie waren seit der Scheidung sein Lebensinhalt geworden, und er tat alles, um ihnen ein guter Vater zu sein. Auch wenn sein Beruf ihm häufig zu wenig Zeit für sie ließ, widmete er die wenige Zeit ganz und gar ihnen. Sie gingen ins Kino, ließen sich Pizza kommen, unterhielten sich über die Schule, und manchmal machten sie auch einfach nur Blödsinn.
    Er brauchte keine fünf Minuten im Bad. Als er herauskam, sagte Sarah: »Wird es heute spät?«
    Brandt schüttelte den Kopf und meinte: »Kann ich mir nicht vorstellen. Ich bin bestimmt nicht später als sechs wieder zu Hause. Und falls doch, sag ich Bescheid. Hast du mir die Toasts gemacht?«
    »Klar doch, liebster Papa«, antwortete sie grinsend und verschwand wieder im Bad. »Was ist eigentlich mit der Daunenjacke?«, rief sie aus dem Bad.
    »Welche Daunenjacke?«
    Die Tür ging erneut auf, und Sarah steckte den Kopf heraus. »Ich hab dir doch schon am Wochenende gezeigt, dass meine im Arsch ist …«
    »Sarah, bitte, nicht diese Ausdrücke«, sagte er mahnend. »Ja, ich kann mich vage erinnern. Wann wollen wir die kaufen?«
    »Ich kann auch allein los, ich weiß ja, welche ich will.«
    »Aha. Und welche?«
    »Helly Hansen. Tragen fast alle in meiner Klasse.«
    »Was heißt, fast alle? Zwei, drei?«
    »O Mann, krieg ich die jetzt oder nicht?«
    »Wie viel?«
    »Hundertfünfzig«, antwortete sie leise.
    »Hundertfünfzig Euro! Weißt du eigentlich, wie viel Geld das ist? Es gibt doch sicher auch Daunenjacken, die genauso warm sind, aber nicht mal die Hälfte kosten.«
    »Die hält aber länger und sieht absolut geil aus. Bitte, bitte, bitte.«
    Brandt atmete einmal tief durch. »Okay, ausnahmsweise. Aber ich hab jetzt kein Geld hier. Du kannst sie dir morgen kaufen.«
    »Danke«, sagte sie strahlend und machte die Tür wieder zu. Und von drinnen: »Du bist und bleibst eben der beste Papa
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