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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman
Autoren: Patrick Lennon
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Maul nicht hältst, Fletcher, sagen wir dem Jungen die Wahrheit. Woher
     er kommt. Wer sein Daddy ist und was Tom Fletcher mit ihm gemacht hat.«
    Fletcher blickte sich um. Einen Moment lang fragte er sich, was wohl Iwan in seiner Lage tun würde. Über den nassen Eisenbahnschienen
     begannen die Oberleitungen wieder zu schwanken und Funken zu sprühen. Am Himmel aber löste sich der Regenbogen auf und die
     Farben bluteten langsam aus.
    Der Mann lachte wieder und riss sich mit einem Ruck los. »Ich hab’s dir ja gesagt. Wir sind das Gleiche.«
     
    Sal Moresby legte den Hörer auf. Ein zwölf Minuten langes Gespräch, und im Hintergrund waren die ganze Zeit Züge vorbeigerauscht.
     Fletcher hatte sie um etwas gebeten, das absolut keinen Sinn ergab, bis er ihr dann erzählt hatte, warum.
    Sal holte Spiritus aus der Küche und ging mit der Stahlkassette auf den Balkon. Auf dem Fluss waren wieder Ruderboote unterwegs,
     und auf dem Uferweg liefen Jogger.
    Sie nahm den Deckel ab und betrachtete den Inhalt: die Berichte des Coroners, die Zeitungsausschnitte und das Doomsday Book.
     Das Album stellte sie halb aufgeklappt hinein. Auf dem Deckel prangte in Goldbuchstaben das Wort »Erinnerungen«.
    Die anderen Unterlagen zerknüllte sie und tränkte sie mit Spiritus. Dann warf sie ein Streichholz in die Kiste. Die Flammen
     waren erst blau, dann wurden sie rot und gelb. Die altenFotos verbreiteten einen widerlichen schwarzen Qualm, der sich erst auf dem Balkon ausbreitete und dann über den Fluss davonwehte.
     Nach einer Weile löste sich der Rücken des Albums ab, und ein paar Seiten wehten hoch, zerbröselten und trieben als graue
     Ascheflocken davon.

Einen Monat später
    Im Spätsommer, früh am Morgen, wenn nur wenig Verkehr herrschte, fuhr Fletcher manchmal zu den zwei Hügeln im Süden Cambridges
     und ging dort eine Stunde joggen. Er mochte es da oben, auf den einzigen größeren Erhebungen im Umkreis von Meilen, er schaute
     gern auf die Stadt hinunter, und er mochte auch die Namen der Hügel: Gog und Magog.
    Eines Morgens bat er Sal Moresby, ihn zu begleiten.
    Sie parkten bei einem Getreidefeld, auf dem walzenförmige Strohballen lagen, deren Seiten mit ihrer spiraligen Struktur wie
     riesige Fingerabdrücke wirkten. Am Weg blühten noch immer ein paar Mohnblumen. Es war ein schöner Tag mit Federwölkchen hoch
     am Himmel.
    Sie joggten schweigend. Er hörte gern ihren Atem, und er mochte es, wie sie beim Laufen die Hände ballte. Sie liefen den Berg
     hinauf, wo es keine Felder, sondern nur noch Wiesen gab, blieben oben stehen und genossen die Aussicht. Auf dem Golfplatz
     im Westen waren ein paar kleine Gestalten zu sehen, in der Ferne fuhr ein Zug nach Cambridge ein, ein Flugzeug startete vom
     Flughafen und man sah den hohen Schornstein des Addenbrooke’s Hospital und den Rand der Vorstädte.
    Wenn man dagegen nach Osten schaute, hatte man eine fast historisch wirkende Landschaft vor sich: die abgeernteten Weizenfelder,
     die lange, gerade Linie der alten Römerstraße, das Schimmern des Flusses und zwei Verteidigungswälle angelsächsischer Stämme,
     den Fleam Dyke und den Devil’s Dyke, die sich aus der Ebene erhoben. Die modernen Straßen,die durch diese Landschaft verliefen, wirkten billig und sehr vergänglich. Er roch den Duft von Sals Haar.
    »Die Namen haben doch eine Bedeutung, oder? Gog und Magog?«
    »Ich glaube, das waren zwei Engel, die auf die Erde gestürzt sind.«
    »Engel sind Tolpatsche. Du wirst mir fehlen.«
    »Das ist eine tolle Chance für dich«, erwiderte er. »Detective Inspector in Lincoln. Hübsches Städtchen.«
    »Ich bin weggelobt worden, damit ich keinen Ärger mache. Das soll in der Polizei eine lange Tradition haben.«
    »Du hast die Beförderung verdient.«
    Sie hob einen Stein auf und warf ihn in hohem Bogen über die Stoppeln. »Ich hab mich verkauft, stimmt’s?«
    »Nein. Du gehörst zur Familie.«
    »Und wie geht es
dir?«
, fragte Sal.
    Er lächelte. »Es ist ein ungewohntes Gefühl, allein dazustehen und keine feste Stelle mehr zu haben. Aber es ist nicht unangenehm.
     Es gefällt mir sogar immer besser.«
    »Was willst du eigentlich machen? Ich meine, beruflich?«
    »Gehen wir zum Auto zurück. Dann zeige ich es dir.«
     
    Sal studierte die Visitenkarte, die er aus einem Karton im Handschuhfach geholt hatte. Die Buchstaben waren geprägt und die
     Karte wirkte professionell – nur konnte sie das, was sie da las, einfach nicht glauben.
    »Ist das dein
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