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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman
Autoren: Patrick Lennon
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neben die stählerne Aktenkassette.
     Sie wusste nicht, wohin sie gehen würde, aber jedenfalls nie wieder hierher zurück. Weder in diese Wohnung noch in diese Stadt
     noch in diesen Job.
    Sie trat auf den Balkon, um sich die Aussicht ein letztes Mal anzuschauen. Unter ihr trieben Dunstschwaden über den Midsummer
     Common, und hinter den Bäumen stand ein riesiger Regenbogen am blaugrauen Himmel.
    Das Telefon läutete.
     
    Aus Cambridge stieg Dunst auf. Er verschleierte die Glaskuppeln des Science Park und waberte über die Fahrbahn und die Bürgersteige
     der Milton Road. Unter der Elizabeth Bridge ließ die Sonne den Fluss in öligen Blau- und Grüntönen schillern. Fletcher, der
     aus dem eingeschlagenen Fenster des Nissan schaute, schien es, als sei der Regenbogen das einzig Feste und Beständige in dieser
     dunstigen Stadt. Als er auf der Mill Road durch riesige Wasserlachen pflügte, sammelte sich der Nebel vor ihm, als sei er
     etwas, das in der Electric Mile aus der Erde gewachsen war.
    Ein Auto war hinter der Railway Bridge stecken geblieben, und Fletcher stellte seinen Nissan dahinter ab. Von den Oberleitungen
     und den Eisenbahnschienen, die er durch das Stahlgitter des Tors am Ende der Sackgasse sehen konnte, als er eilig dort einbog,
     stiegen Schwaden auf.
    Er blieb stehen.
    Vor dem Tor, so dass er von Cathleens Haus aus nicht zu sehen war, stand ein dunkelblauer Omega. Vorn hatte die Kühlerhaube
     eine Beule und ein zerbrochener Scheinwerfer war mit Klebeband zugeklebt. Ein Mann stand neben dem Wagen und blickte durch
     das Tor auf die Eisenbahnschienen. Er war mit Baumwollhosen und einem gebügelten Jeanshemd modisch-lässig, aber vollkommen
     unauffällig gekleidet. Er drehte sich um und sah Fletcher an. Er war in den Fünfzigern, das graue Haar war aus dem faltigen
     Gesicht gebürstet und flinke Augen behielten alles im Blick. Hinter ihm stand der Regenbogen in kräftigen, dichten Farbstreifen
     am Himmel.
    »Fletcher. Ganz ruhig.«
    Der Mann hatte die Stimme eines Einheimischen. Altmodisch und bedachtsam.
    Irgendetwas brachte Fletcher ins Grübeln. Dies war der Mann, der an jenem Abend auf der Magdalene Bridge den Omega gefahren
     hatte, aber da war noch etwas anderes, dasihm auf unbestimmte Weise ebenfalls bekannt vorkam. Ein Geruch, vielleicht von Öl oder Tabak?
    »Wer sind Sie?«, fragte er.
    Der Mann zuckte die Schultern. »Das Gleiche wie du, mein Junge.«
    Fletcher machte drei Schritte nach vorn und drängte den Mann gegen das Tor, das bei dem Aufprall schepperte und einen Tropfenregen
     auf den Unbekannten niedergehen ließ.
    Der Mann lachte erschreckt auf, entfernte zwinkernd das Wasser aus seinen Augen und sah zu Fletcher hoch. »Du kannst tun,
     was du willst, Junge. Wenn du mich fertigmachst, kommen andere an meiner Stelle. Und jetzt lass mich los, ich will mit dir
     reden.«
    Fletcher hielt ihn weiter fest und sah ihn an, ohne etwas zu sagen. Im silbrigen Haar des Unbekannten schimmerte das Wasser,
     wie   ... wie was? So etwas hatte er kürzlich schon einmal gesehen, etwas Glitzerndes in grauem Haar. Jener andere Mann war in einem
     ähnlichen Alter gewesen. Glasscherben. Glas im Haar eines Mannes, eines Verunglückten, dessen Leiche auf der Kühlerhaube eines
     Fords lag.
    »Teversham. Sie haben auf Tevershams Kassette gesprochen. Sie haben als Erster gesprochen, der Mann, der . . .«
    »Ich hab dir ja gesagt, ich bin das Gleiche wie du. Ich bin ein Ex-Bulle, und das bist du jetzt auch. Wenn du auch nur ein
     Fünkchen Verstand gehabt hättest, Junge, hättest du die Finger von der Sache gelassen, als du das Band gehört hast.«
    »Webley kennt Sie. Sie benutzt Sie.«
    »Die Polizei ist deine Familie, Fletcher. Wer in Familiengeheimnissen rumschnüffelt, der kriegt Ärger. Webley mag dich, aber
     sie weiß auch, was Loyalität bedeutet. Sie hat gemerkt, dass irgendwas mit dir war, dass irgendwas nicht stimmte. Du wolltest
     es ihr verschweigen, aber wir haben nicht lange gebraucht, um es herauszufinden. Tom Fletchers kleines Geheimnis.«
    Fletcher riss den Mann herum und rammte seinen Kopf gegen das Heck des Omega. Der Schlag hallte durch die Straße und der Mann
     stöhnte, während Fletcher ihn mit der Wange ans feuchte Blech presste.
    »Sie waren nicht in diesem Haus hier«, sagte Fletcher.
    Der Mann versuchte zu lachen und brachte dann mühsam heraus: »Das brauch ich nicht, Junge. Solange Tom Fletcher das kleine
     Familiengeheimnis bewahrt, nicht wahr? Aber falls du das
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