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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr
Autoren: Peter Kersken
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sie die Syphilis hatten. Und ich wollte sie elendig zugrunde gehen sehen. Aber das war natürlich töricht. Es kann schließlich Jahre dauern bis zum qualvollen letzten Stadium der Krankheit. Gleich am ersten Abend, an dem ich wieder in der Schankstube war, wollte der Klumpenwirt mich mit einem Fuhrmann verkuppeln, der eins der Logiszimmer gemietet hatte. Als ich mich weigerte, ist er wütend geworden und wollte mich davonjagen. Eine prüde Schankmagd kann ich nicht brauchen, hat er gesagt. Ich hab mich damit herausgeredet, dass ich noch Narben am Körper hätte von der Syphilis und von der Quecksilberbehandlung. Er hat es mir abgenommen und mich während der nächsten Woche in Ruhe gelassen. Aber ich wusste, dass meine Tage als Schankmagd im Gasthaus ›Zum dicken Klumpen‹ gezählt waren. Da erst ist mir in den Sinn gekommen, den Küppken zu vergiften. Den Terfurth, den wollte ich eigentlich nur zur Rede stellen. Der war doch selbst ein armer Hund. Ich hatte gedacht, er würde mich um Verzeihung bitten für das, was er mir angetan hatte. Aber er hat mich nur verspottet. Und dann lag da dieser Stein.«
    Margarete Sander saß mit gesenktem Kopf auf dem Bett. Ihre Hände lagen müde in ihrem Schoß. Martin Grottkamp stand vor der Kommode und betrachtete sie schweigend. Als sie langsam den Kopf hob, begegneten sich ihre Blicke.
    »Erst als sie beide tot waren, am Samstag, als ich bei der alten Anna in der Küche saß, ist mir klar geworden, wie töricht ich war, was für eine Dummheit ich begangen hatte.«
    »Eine Dummheit?«, wiederholte Grottkamp empört. »Du hast zwei Menschen das Leben genommen!«
    Margarete schüttelte den Kopf. »Ich habe die beiden Männer, die mein Leben zerstört haben, vor einem langsamen, qualvollen Tod bewahrt. Das habe ich getan.«
    »Und deinen eigenen Tod hast du damit besiegelt, Grete Sander. Auf dich wartet das Fallbeil.«
    Margarete lächelte. »Glauben Sie wirklich, der Tod könne in diesen Zeiten eine Strafe sein? Wünschen Sie sich nicht selbst manchmal fort aus diesem schrecklichen Jammertal?«, fragte sie.
    Grottkamp antwortete nicht.
    »Für eine wie mich gibt es keinen Platz auf dieser Welt«, sagte sie sanft, griff nach dem Holzkästchen, das vor ihr auf dem Tisch stand, und öffnete es. Wie gebannt stand Grottkamp da. Erst als Margarete Sander eine kleine, schwarzbraune Knolle in ihren Mund schob, sprang er auf sie zu.
    »Lassen Sie nur, Herr Polizeisergeant. Es ist zu spät«, sagte sie ruhig.
    Martin Grottkamp beobachtete entsetzt, wie die Schankmagd die giftige Wurzel zerkaute und schluckte.
    »Gehen Sie jetzt«, bat Margarete ihn. »Ich will nicht, dass Sie mir beim Sterben zusehen.«

    Es dauerte beinahe eine Stunde, bis Grottkamp den Heildiener Jacob Möllenbeck gefunden hatte. Als die beiden Männer im Gasthaus »Zum dicken Klumpen« ankamen, lag Margarete Sander tot auf dem Bett in der Mägdekammer.
    Gemeindevorsteher Overberg ließ sich noch am Mittag des zwölften September in aller Ausführlichkeit Bericht erstatten. Anschließend forderte er seinen Polizeisergeanten und den Heildiener auf, mit niemandem über die Umstände des Todes der Margarete Sander zu sprechen.
    Beide Männer hielten sich daran.
    Die Sterkrader hatten schnell eine Erklärung für das plötzliche Ende der jungen Schankmagd gefunden. Sie habe mit dem Klumpenwirt Unzucht getrieben, hieß es, und da sei es ja kein Wunder, dass der Küppken sie mit der Cholera angesteckt habe.
    Kopfschüttelnd sprachen die Leute noch einige Tage über den Fuhrmann und Sargschreiner Theodor Verstegen. Der sei so dumm gewesen, den Stein wegzuwerfen, an dem der betrunkene Julius Terfurth sich den Schädel eingeschlagen habe, erzählte man sich. Da habe der Herr Polizeidiener natürlich glauben müssen, jemand habe den Hammerschmied getötet.
    Grottkamp und Möllenbeck äußerten sich nicht zu den Gerüchten. So geriet die Dummheit Verstegens allmählich in Vergessenheit und mit ihr der unselige Tod des Julius Terfurth.
    Als Grottkamp am Nachmittag des zwölften September auf dem Hof seines Bruders auftauchte, fragte Paul überrascht: »Warum kommst du heute? Morgen ist doch erst Donnerstag.«
    »Ich will die Sybilla zu einem Spaziergang abholen«, antwortete Martin Grottkamp.
    Paul sah zum trüben Himmel hinauf und nickte.
    Trotz des schlechten Wetters spazierten der jüngere Bruder des Bauern und die Magd Sybilla beinahe zwei Stunden miteinander durch das Alsbachtal.
    Als sie endlich wieder auf dem Grottkamphof
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