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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr
Autoren: Peter Kersken
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Wochenmarkt.«
    »Ach was! Der wird auch ohne dich friedlich zu Ende gehen. Jetzt komm schon!«
    »Die alte Anna ist gar nicht zu Hause«, entgegnete Grottkamp. »Sie sitzt auf dem Marktplatz und verkauft ihre Kräuter.«
    »Umso besser!«, sagte Möllenbeck.

VIERUNDZWANZIG

    Der Heildiener Jacob Möllenbeck versuchte, sich im Halbdunkel der heruntergekommenen Küche zurechtzufinden. Er umrundete langsam den abgewetzten Tisch und die beiden wackligen Stühle, betrachtete aus zusammengekniffenen Augen die Blätter und Blüten, die auf Bank und Truhe lagen, und untersuchte mit den Fingerspitzen und seiner Nase die von Balken und Wandbrettern herabhängenden Kräutersträuße.
    Grottkamp, der neben der Eingangstür stehen geblieben war, wurde ungeduldig. »Jetzt sag doch endlich, was du hier willst!«, schimpfte er. »Vielleicht kann ich dir ja beim Suchen helfen.«
    »Nein, das kannst du nicht«, murmelte Möllenbeck und fügte laut hinzu: »Gedulde dich bitte noch! Wenn ich gefunden habe, was ich suche, werde ich dir alles erklären.«
    Grottkamp schüttelte ärgerlich den Kopf. Ihn fröstelte. Kälter noch als am Sonntag war es heute in der kargen Küche der alten Anna. Auf dem Feuerplatz unter dem Rauchabzug lagen in kalter Asche ein paar angekohlte Holzstücke.
    »Du könntest mal die Tür öffnen, damit es hier drin etwas heller wird«, bat Möllenbeck.
    Die Eingangstür zum Haus der Kräuterfrau quietschte in den Angeln, als Grottkamp sie weit aufstieß.
    Kein Schloss hatte ihn und den Heildiener daran gehindert, das armselige Fachwerkhaus im Wald zu betreten. Wenn die alte Anna unterwegs war, um Kräuter zu suchen oder sie auf dem Markt zu verkaufen, ließ sie ihr Häuschen unverschlossen zurück. Ihre Armut allein schützte sie vor Dieben und Gesindel.
    Möllenbeck hatte alle Töpfe und Kästchen geöffnet, die in der Küche herumstanden, ihren Inhalt beschnuppert und befühlt, und stand jetzt kopfschüttelnd vor Johanna Spiekers Truhe. Mit beiden Händen schob er die getrockneten Blüten, die darauf lagen, zusammen und trug sie vorsichtig zum Tisch. Dann klappte er den schweren Deckel hoch, entnahm der Truhe allerlei Behältnisse und Gefäße, deren Inhalt er sorgfältig prüfte, und sagte schließlich laut und vernehmlich: »Na also, da haben wir es ja.«
    Er ging zu Grottkamp hinüber, der noch immer neben der Eingangstür stand. In den Händen hielt Möllenbeck ein unscheinbares Kästchen aus rohem Holz. Im trüben Licht, das durch die offene Tür hereinfiel, öffnete er es und zeigte es dem Freund.
    Grottkamp entdeckte auf dem Grund des Kästchens einige große, dunkelgrüne Blätter, tief eingekerbt, einer offenen Hand mit langen, spitzen Fingern gleichend. Daneben lagen ein paar braunschwarze Wurzelnknollen, kleinen Rüben ähnlich.
    »Aconitum napellus«, sagte Möllenbeck.
    Grottkamp sah ihn fragend an.
    »Wolfswurz«, übersetzte der Heildiener.
    »Das sagt mir nichts.«
    »Die Pflanze wird auch blauer Sturmhut, Napell oder blauer Eisenhut genannt«, erläuterte Möllenbeck.
    Grottkamp pfiff durch die Zähne. Vor der Giftigkeit des Eisenhutes hatte die Mutter ihn schon gewarnt, als er im Knabenalter durch Wald und Heide gestreift war. »Eine Giftmischerin soll sie sein, die alte Anna?« Grottkamp betrachtete zweifelnd den Inhalt des Holzkästchens.
    »Der Wolfswurz wird auch eine heilende Wirkung zugesprochen. Paracelsus erwähnt sie zum Beispiel als Arznei gegen die Pest. Aber das ist umstritten«, erklärte Möllenbeck. Er klappte die Schachtel zu und drückte sie Grottkamp in die Hand.
    Während er ins Innere der Küche ging, die Blüten, die er auf den Tisch gelegt hatte, zurück zur Truhe trug und sie dort wieder gleichmäßig auslegte, sprach der Heildiener weiter.
    »Unbestritten ist dagegen, dass der blaue Eisenhut zu den giftigsten Pflanzen gehört, die wir kennen. Manche halten den Napell für das schädlichste Gewächs für Mensch und Tier, das es überhaupt gibt. In Sibirien jagt man Wölfe, indem man einen Brei aus den Wurzeln oder dem Kraut in ein Fleischstück hineindrückt, das dann als Köder ausgelegt wird. Die Wölfe gehen daran zugrunde. Daher kommt der Name Wolfswurz. Am meisten Gift steckt in der Knolle. Schon ein paar kleine Stückchen sind tödlich. Aber das Kraut ist kaum weniger giftig. Ein Blatt aus dem Kästchen da reicht vollkommen, um einen Menschen ins Jenseits zu befördern. Nicht umsonst wird Eisenhut seit Menschengedenken als Mordgift verwendet. Und im alten
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