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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil
Autoren: Anton Gill
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mich bist du hübsch, wie du bist«, sagte Chaemhet. »Wie du warst, geschminkt und duftend, mit Gold an Fingern und Zehen, wärest du zu schön, und ich hätte zuviel Ehrfurcht vor dir.«
    Surere fühlte sich von einem starken Arm umschlungen und in die sichere Abgeschiedenheit des Schilfes gezogen, und dann drängten sich rauhe Lippen und eine leidenschaftliche Zunge an seinen Mund.
    Später, als sie nebeneinander lagen und zuschauten, wie eine leichte Brise, der Vorbote des Morgengrauens, den Fluß kräuselte, sagte Chaemhet: »Ich muß dich bitten, mir eines zu versprechen.«
    »Ja?«
    Der Steinhauer war verlegen. »Du darfst nicht versuchen, zu fliehen. Wenn du es tust, werden sie mich töten.«
    Surere schwieg.
    »Versprich es mir«, sagte Chaemhet und stützte sich auf den Ellbogen, um ihm ins Gesicht zu sehen.
    »Natürlich«, sagte Surere.

    Sie war fort. Er sagte sich, er habe gewußt, daß es so kommen würde. Er habe die Zeichen gesehen, und ohnedies sei jede Hoffnung, die Sache könnte von Dauer sein, nur ein Traum gewesen. Aber das half alles nicht. Statt sich dem Willen des niederen Gottes zu beugen, der für so unwichtige Dinge wie die Liebe zuständig war -vielleicht der Zwerg-Löwe Bes oder Min mit seinem aufgerichteten Penis und seiner Peitsche -, fühlte Huy sich wie ein Mann, den es juckt und der sich nicht kratzen kann, oder wie einer, der solche Kopfschmerzen hat, daß er sich am liebsten den Kopf abreißen würde. Sie war fort, und ihr lag nichts mehr an ihm. Lange, bevor sie ihm gesagt hatte, daß sie ihn nicht mehr sehen wolle, war ihre Entscheidung schon gefallen. Vielleicht schon seit Wochen, gar Monaten, war er für sie nicht mehr das gewesen, was er geglaubt hatte. Das war das Schlimmste: weiterzutanzen, wenn die Musik schon lange aufgehört hatte.
    Jetzt jagte er einem Phantom hinterher. Er dachte daran, noch mehr Briefe zu schreiben, dachte daran, noch einmal zu ihrem Haus zu gehen. Aber er wußte, das alles würde nichts nützen. Ihm blieb nur eins, nämlich nichts zu tun. Er mußte sich mit der bittersten aller Wahrheiten abfinden: Daß der Gegenstand seiner Liebe ihn nicht mehr brauchte, daß er nicht mehr erwünscht war, daß seine Rolle im Stück ihres Lebens beendet war. Auch wenn es einen innerlich zerriß, dachte Huy, man mußte einen würdigen Abgang versuchen. Bitten würden bestenfalls mit freundlicher Verlegenheit aufgenommen.
    Es war die Jahreszeit der Dürre, Schemw, von früh bis spät lag über dem ganzen Schwarzen Land eine trostlose, gleichförmige, milde Wärme. Gegen Jahresende, im Mittsommer, würde die Hitze erbarmungslos sein; aber dann würde der Fluß anschwellen und die Ufer wieder grün werden lassen. Jetzt war die Zeit der langen Mittagsrast und - zu Huys Verdruß - der monotonen Untätigkeit.
    Er war gerade dreißig geworden. Ein Jahr zuvor hatte er allein in einem kleinen Haus in einer Seitenstraße der verfallenden Stadt des Horizonts gelebt und nicht nur auf den Untergang seiner Ehe, sondern auch auf den Ruin seiner Karriere zurückgeblickt. Er war Schreiber am Hofe Echnatons gewesen, und seit dem Sturz dieses Königs durfte er seinen Beruf nicht mehr ausüben; aber er war nicht wichtig genug, um bestraft zu werden, und so hatte er sein Leben mit allerlei Nachforschungen gefristet und die Probleme anderer Leute gelöst. Jetzt schaute er sich in dem kleinen Haus um, in dem er zur Zeit wohnte, immer noch allein, in einem heruntergekommenen Viertel unweit des Hafens in der Südlichen Hauptstadt. Der eine große Fall, dessen Lösung er nahegekommen war, hatte in einer Katastrophe geendet, und das einzig Gute, das dabei herausgekommen war, hatte nun auch ein Ende gefunden.
    Er sprach ihren Namen aus: Aset. Er rief sich ihr Bild vor Augen und versuchte, sie zu verdammen, aber es gelang ihm nicht. Er hatte nie hoffen können, daß sie für immer zusammenbleiben würden; das hatte er von Anfang an gewußt. Aset, die Schwester seines Freundes Amotju, und jetzt, nach Amotjus Tod, Erbin seines halben Vermögens - die andere Hälfte war nach einer längeren Schlacht vor den Gerichten an Amotjus Witwe Taheb gegangen -, war für ihn nie wirklich erreichbar gewesen, und jetzt war sie so weit weg wie der Mond.
    Er versuchte, die Erinnerung an ihre letzte Begegnung zu verdrängen, aber unerbittlich kehrte sie immer wieder zurück - eine schmerzliche und überflüssige Begegnung, die nur deshalb zustande gekommen war, weil er es nicht bei ihrem Abschiedsbrief hatte
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