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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil
Autoren: Anton Gill
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der bloße Gedanke wäre ihm unerträglich gewesen. Jetzt lächelte er nur trocken. Sentimentalität war ebenfalls eine Straße, die zum Tod führte.
    Er stand auf und streckte seinen Rücken; das Brennen von den Prügeln löste sich in einem dumpfen Schmerz auf. Der Mond war aufgegangen, und in seinem Licht sah das Wasser dick wie Öl aus. Surere begann, die Böschung hinaufzusteigen, zurück zum Lager und zu seinem Zelt. Auf halber Höhe hörte er, wie das Mädchen wieder aufschrie.
    Plötzlich hielt er inne, denn er meinte, noch ein anderes Geräusch gehört zu haben, kaum wahrnehmbar, einen Schritt vielleicht. Dann ging er schnell weiter und erreichte das Lager, ohne jemanden zu sehen oder zu hören. Als er jedoch die hohen Binsen verließ, die am Flußufer wuchsen, trat ihm jemand lautlos in den Weg.
    »Chaemhet.«
    Der Steinhauer sah ihn schüchtern an.
    »Bist du mir gefolgt?«
    »Ich habe dich unten am Fluß gesehen. Ich möchte mit dir sprechen, aber ich wollte sicher sein, daß du allein bist.«
    »Von irgendwo dort unten hörte ich ein Mädchen schreien.«
    »Eines von Cheruefs Mädchen«, sagte Chaemhet; Cheruef war der Name des Bordellbesitzers. »Eine Neue. Sie ist heute nachmittag mit zwei anderen auf der Barke gekommen. Cheruef sagte, er wolle sie ausprobieren.« Chaemhet kam einen Schritt näher und zögerte dann. »Ich wollte nicht riskieren, daß jemand uns stört.«
    Surere musterte ihn kühl und sog den Duft des seschen ein, mit dem er sich parfümiert hatte. Chaemhet konnte seinem Blick nicht standhalten, sondern starrte auf seine breiten Steinhauerhände und krümmte und streckte die Finger.
    »Hast du Neuigkeiten für mich?« fragte Surere. Er wagte kaum, die Frage zu stellen, denn er fürchtete eine negative Antwort.
    »Ja«, sagte Chaemhet.
    »Welche?«
    Ein Lächeln erschien auf dem breiten jungen Gesicht des Steinmetzes. Tadellose Zähne, dachte Surere, und er war froh, daß er seine eigenen, seit er in Gefangenschaft war, durch kräftiges Bürsten mit breitgeklopften Zweigstücken in gutem Zustand erhalten hatte.
    »Du darfst mit auf die Barke kommen, als Mitglied der Transportmannschaft. Der Aufseher hat heute nachmittag seine Erlaubnis gegeben.«
    Surere spürte, wie die Macht des Gottes ihn durchströmte; ihm war, als hebe er vom Boden ab. Er zwang sich, langsam und gleichmäßig zu atmen, aber er sah, daß seine Erregung Chaemhet nicht entging, der jetzt noch näher kam -vorsichtig, ja, respektvoll, aber er kam näher, und seine Augen waren voller Verlangen. Es war unmöglich, ihn jetzt abzuweisen.
    »Ich danke dir.«
    »Du mußt dich bei dir selbst bedanken, nicht nur bei mir«, sagte Chaemhet. »Der Aufseher findet, daß du ein vorbildlicher Häftling bist.
    Es kann sein, daß Nebcheprure Tutenchamon dich eines Tages begnadigt, obwohl du eine so wichtige Rolle am Hofe des Großen Verbrechers gespielt hast.«
    Surere hielt diese Möglichkeit für sehr unwahrscheinlich. Der Knabenkönig war zwar sehr eigenwillig, wurde aber von zwei sehr viel mächtigeren Männern gelenkt: von Haremheb, dem Oberbefehlshaber des Heeres und eigentlichem Herrscher des Landes, und von dem alten Politiker Ay, der die Macht in der Hand behalten hatte, obwohl er Echnatons Schwiegervater gewesen war.
    »Wann reisen wir ab?« fragte er den Steinhauer.
    »Der Obelisk wird vor Morgengrauen verladen. Gegen Abend legen wir ab.«
    »Und wohin?« Surere bekam eine trockene Kehle. Er spürte, wie Chaemhet schon ungeduldig wurde bei all diesen Fragen. Er war so erregt, daß die Luft zwischen ihnen förmlich knisterte. Surere warf einen kurzen, diskreten Blick auf Chaemhets Kilt und sah, wie sich der Stoff, halb im Schatten, über einer kräftigen Erektion wölbte.
    »In die Südliche Hauptstadt.« Chaemhet kam wieder einen Schritt näher. »Komm. Im Schilf gibt es ein stilles Plätzchen. Ich habe guten Wein mitgebracht.«
    »Ich habe vergessen, wie so etwas schmeckt.«
    »Gewürztes Brot und Apfel habe ich auch.«
    »Richtige Apfel? Aus dem Norden?«
    Chaemhet lächelte. »Ich weiß, wie du früher gelebt hast.«
    Surere war gerührt, aber er mußte noch eine Frage beantwortet haben.
    »Wann sind wir dort?«
    »In vier Tagen. Die Barke ist langsam. Jetzt komm.« Surere fühlte, wie kräftige, heiße Finger sein Handgelenk umschlossen, und voller Scham dachte er an seine eigenen abgebrochenen Fingernägel und seine rauhe Haut.
    »Es wundert mich, daß ich dir gefallen kann... so, wie ich aussehe«, murmelte er.
    »Für
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