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Herr Klingsor konnte ein bißchen zaubern.

Herr Klingsor konnte ein bißchen zaubern.

Titel: Herr Klingsor konnte ein bißchen zaubern.
Autoren: Otfried Preußler
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Eine wirklich wahre Geschichte
    Soll ich euch eine Geschichte erzählen, die wirklich wahr ist? Es ist die Geschichte von einem Lehrer, der zaubern konnte. Er hieß Herr Klingsor und war kein besonders großer Zauberer - aber immerhin!
    Und diese Geschichte, werdet ihr fragen, soll eine wirklich wahre Geschichte sein? Darauf kann ich nur antworten: Ja, das ist sie. Wie alle meine Geschichten.
    Wer mir meine Geschichten glaubt, für den sind sie nämlich wahr. Und wer sie mir nicht glaubt, für den sind sie nicht wahr - aber er tut mir ein bisschen Leid.
    Übrigens hat sich Herrn Klingsors Geschichte in meiner Heimatstadt Reichenberg zugetragen. Reichenberg ist eine deutsche Stadt im Königreich Böhmen gewesen; das ist nun schon lange her.

    Bei uns in Reichenberg hat es viele Schulen gegeben. Eine davon war die öffentliche Volksschule in der früheren Erzherzog-Rudolf-Straße, kurz Rudolfschule genannt. Schon meine Eltern sind dort zur Schule gegangen, später auch ich.
    Ich selbst habe den Herrn Klingsor leider nicht mehr als Lehrer gehabt. Aber den Herrn Oberlehrer König, den habe ich noch gekannt. Zu meiner Zeit ist er schon in Pension gewesen, ein freundlicher alter Herr mit funkelnden Augengläsern.

    Den Herrn Schuldiener Büttner würde man heute als Hausmeister bezeichnen. Auch damals noch, als ich selbst schon zur Schule ging, hat er in der großen Pause seine heißen Würstel verkauft. Im Sommer auf dem Schulhof und winters oder bei schlechtem Wetter im Treppenhaus.
    Wie der Herr Schuldiener Büttner ausgesehen hat, weiß ich nicht mehr genau. Nur an seinen buschigen weißen Schnauzbart kann ich mich noch erinnern. Und an die hohe blaue Kappe mit dem

    spiegelblanken schwarzen Lackschild, die er immer getragen hat.
    Zurück zu Herrn Lehrer Klingsor, zurück zu seiner Geschichte!
    Sie hat sich also, wie schon gesagt, an der Rudolfschule in Reichenberg zugetragen. Dort hat sie am Ende der Sommerferien ihren Anfang genommen, genau einen halben Tag vor Beginn des neuen Schuljahres.

Der neue Stundenplan
    Die Rudolfschule wurde damals vom Herrn Oberlehrer König geleitet. Am letzten Nachmittag vor dem ersten Schultag saß er in seiner Kanzlei am Schreibtisch und brütete über dem neuen Stundenplan. Über dem Stundenplan für die ganze Schule. Aber der neue Stundenplan wollte und wollte nicht stimmen. Bald blieben dem armen Herrn Oberlehrer zwei Turnstunden übrig, bald fehlten drei Deutschstunden, bald eine Rechenstunde. Es war zum Verzweifeln! Und plötzlich klopfte es an der Kanzleitür.
    »Ja, bitte?«, rief der Herr Oberlehrer König. »Bitte doch einzutreten!«
    Eintrat ein jüngerer Herr. Nicht zu groß, nicht zu klein. Weder besonders dick noch besonders dünn. Aber mit lustigen braunen Augen.
    »Grüß Gott, Herr Oberlehrer!« Der jüngere Herr mit den lustigen braunen Augen verbeugte sich leicht, wie es damals üblich war.» Erlauben Sie bitte, dass ich mich Ihnen vorstelle. Ich bin der neue Aushilfslehrer für die dritte Klasse, ich heiße Klingsor.«
    »Ach ja, ich entsinne mich.« Der Herr Oberlehrer verbeugte sich gleichfalls, wenngleich im Sitzen, und kramte in seinen Papieren. »Sagten Sie Klingsor? Ein ungewöhnlicher Name. Trotzdem kommt er mir nicht ganz unbekannt vor.«
    »Gut möglich, Herr Oberlehrer. Mein älterer Bruder ist nämlich der berühmte Zauberer.«
    »Was Sie nicht sagen! Und Sie, Herr Kollege? Können Sie etwa auch ... ?«
    »Nur ein bisschen, Herr Oberlehrer. Sie müssen das bitte entschuldigen. Bei uns liegt das in der Familie, wissen Sie.«
    »So, so«, brummte der Herr Oberlehrer König. »Ach, Herr Kollege! Ich wünschte mir manchmal auch, dass ich zaubern könnte. Dann gäbe es mit dem Stundenplan für das neue Schuljahr gewiss keine Schwierigkeiten!«
    »Schwierigkeiten?« Herr Klingsor neigte sich über den Stundenplan. »Darf ich bitte mal sehen, Herr Oberlehrer?«

    Eben noch hatte der Stundenplan für das neue Schuljahr nicht und nicht stimmen wollen. Bald waren dem armen Herrn König zwei Turnstunden übrig geblieben, bald fehlten drei Deutschstunden, bald eine Rechenstunde.
    »Aber das ist doch ganz einfach, Herr Oberlehrer! Wenn Sie bitte erlauben ...«
    Herr Klingsor murmelte eine Zauberformel, dann schnippte er zwei Mal leicht mit den Fingern - und plötzlich, der Herr Oberlehrer König traute seinen Augen nicht: Plötzlich begannen auf seinem Plan die Deutsch- und die Rechenstunden, die Heimatkunde-, die Schönschreib- und alle anderen Schulstunden
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