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Herr Klingsor konnte ein bißchen zaubern.

Herr Klingsor konnte ein bißchen zaubern.

Titel: Herr Klingsor konnte ein bißchen zaubern.
Autoren: Otfried Preußler
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linken.
    Und die Arme von Plischkes Gustav!
    Gustavs Arme glichen zwei dürren Haselstecken, da hingen Büchsen aus rostigem Blech dran. Wenn sich der Gustav auch nur ein winziges bisschen bewegte, begannen die Büchsen sofort zu scheppern, dass es bis in den letzten Winkel der Rudolfschule zu hören war.
    »Seht ihr«, sagte der Herr Lehrer Klingsor, als er merkte, wie erschrocken die Kinder von ihrem eigenen Anblick waren. »Euch selber ist es gar nicht recht, wenn ihr ausseht wie Vogelscheuchen. Aber die armen Buchstaben müssen sich das gefallen lassen.«
    Dann schnippte er ein zweites Mal mit den Fingern und im nächsten Augenblick sahen die sechsunddreißig Schulkinder der dritten Klasse wieder genauso lieb und ordentlich aus, wie man es von ihnen gewohnt war.
    Aber von diesem Tag an haben sich alle sechsunddreißig bei den schriftlichen Arbeiten große Mühe gegeben. Und selbst Appelts Willi, der sonst im Schönschreiben immer eine Fünf ins Zeugnis bekommen hatte, bekam am Ende des Halbjahres eine Vier.

Zu dick und zwei linke Hände
    Eigentlich waren alle Schulstunden beim Herrn Lehrer Klingsor schön und lustig, aber am allerlus-tigsten ging es beim Turnen zu. Leider gab es bloß drei Turnstunden in der Woche. Wäre es nach den Kindern gegangen, hätten es ruhig zwölf sein dürfen. Bloß dem Paulchen Knobloch waren schon drei zu viel.
    Knoblochs Paulchen war einer von den kleineren Jungen in Herrn Klingsors Klasse. Er war ein bisschen dick und ein bisschen ungeschickt. Beim Wettlaufen kam er immer als Letzter ans Ziel. Beim Völkerball wurde er immer als Erster abgeschossen. Knoblochs Paulchen hing an den Ringen wie eine reife Zwetschge. An den Kletterstangen kam er kaum einen halben Meter hoch. Und beim Bockspringen machte er überhaupt nicht mit.

    »Das Paulchen ist eben zu dick«, meinte der Herbert Löwit. »Zu dick und zu ungeschickt.« Und die Gerta Hoffmann sagte: »Das Paulchen hat einfach zwei linke Hände. Daran liegt das wohl.«
    Der Herr Klingsor wusste es besser. In der neunten oder zehnten Turnstunde ließ er die Kinder Völkerball spielen, ging mit dem Paulchen ein wenig beiseite und meinte: »Du bist nicht besonders gut im Turnen.«
    »Nein«, sagte Knoblochs Paulchen und wurde rot. »Weil ich zu dick bin. Und weil ich zwei linke Hände habe.«
    »Ach Unsinn, Paulchen! Ich werde dir sagen, woran es liegt. Du bist weder zu dick noch zu ungeschickt - du bist einfach zu ängstlich und traust dir nichts zu.«
    »Das wohl auch ...« Knoblochs Paulchen stieß einen tiefen Seufzer aus. »Aber was lässt sich dagegen machen?«
    »Vielleicht mehr, als du glaubst«, erwiderte der Herr Klingsor. »Ob wir es mal probieren?«
    Er legte dem Paulchen die rechte Hand auf den Nacken und murmelte einen seiner geheimen Sprüche.
    Da war es dem Paulchen, als drehte jemand an einer Schraube, ziemlich genau in der Mitte zwischen dem zweiten und dritten Nackenwirbel. Paulchen spürte, wie sich die Schraube zu lockern begann - und plötzlich kam er sich wie ein kleiner König vor.
    »Na, Paulchen?«, meinte Herr Klingsor schmunzelnd. »Wie wäre es jetzt mit dem Schwebebalken ...?«
    War es zu fassen! Zum ersten Mal schaffte es Knoblochs Paulchen, über den Schwebebalken zu laufen, ohne herunterzufallen. Auch beim Bockspringen hatte er keine Angst mehr. Und an den Kletterstangen zog er sich so geschwind in die Höhe, dass es zum Staunen war.
    »Na also!« Herr Klingsor rieb sich zufrieden die Hände. »Das hätten wir ja geschafft!«
    Am Samstag war keine Turnstunde. (Man muss wissen, dass damals auch samstags Schule war -stellt euch das bitte vor!) Und am Sonntag ging der Herr Klingsor mit ein paar Freunden zum Wandern.
    Am Montag früh jedoch, zehn Minuten vor dem Läuten, klopfte es an der Tür zum Lehrerzimmer. Draußen stand eine schrecklich aufgeregte Frau. Es war Paulchens Mutter.
    »Ach, Herr Lehrer! Herr Lehrer!« Die arme Frau Knobloch rang verzweifelt die Hände. »Was ist bloß in unsern Jungen gefahren? Er hat den Verstand verloren, Herr Lehrer! Jawohl! Unser Paulchen hat den Verstand verloren!«
    Frau Knobloch begann zu erzählen. Das Paulchen - ihr Paulchen, ein bisschen dick und ein bisschen ungeschickt: Plötzlich war er wie ausgewechselt, der reinste Kunstturner. An den Teppichstangen im Hof vollführte er die gewagtesten Schwünge und Überschläge. Am Blitzableiter war er hinaufgeklettert wie ein kleiner Affe.
    »Und anschließend ...« An dieser Stelle brach die arme Frau Knobloch in lautes
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