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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil
Autoren: Anton Gill
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bewenden lassen können. Jetzt, wo er seine Tage und Nächte damit verbrachte, sich selbst zu martern, bereute er, daß er den Papyrus vernichtet hatte, auf dem sie mit ihrer festen Handschrift die Situation so gnadenlos exakt dargelegt hatte.
    Zum hundertsten Mal sann Huy darüber nach und durchstreifte das unfruchtbare Gelände seines Lebens wie ein Hund, der eine Witterung verloren hat: Das Dumme am Ende einer Affäre, ob sie nun ein Jahr oder zwanzig Jahre gedauert hat, dachte er, ist, daß derjenige, der geht, im Herzen schon längst gegangen ist. Daher der verzweifelte Kampf, das Zerren in entgegengesetzte Richtungen, wenn das Paar, von Min und Tawaret verlassen, den letzten Akt des gemeinsamen Lebens spielt.
    Gedemütigt und elend, hatte er Aset in seinem Herzen verschiedene schreckliche Todesarten erleiden lassen, ehe er es dann jedesmal bereute. Dann wieder hatte er sich vorgestellt, seine Vermögensverhältnisse würden sich plötzlich verändern, und er könne sie zurückgewinnen. In seinen Phantasien kam sie dann auf Knien zu ihm zurück, bereute, daß sie ihn verlassen hatte - aber dann wollte er sie nicht mehr und würde sie verstoßen.
    Im Grunde seines Herzens aber lag das Saatkorn eines Gedankens, der immer weiter wachsen und schließlich zur fruchtbaren Blume der Einsicht erblühen würde, ein Vorbote der Heilung.
    Schon zu dem Zeitpunkt, als Aset Nofreweben heiratete, der ehedem als nomarch in Hu gewesen war und jetzt als Goldhändler in der Nördlichen Hauptstadt arbeitete, gab es Momente, in denen Huy seinem beschützenden ka dankte: Dafür etwa, daß sie jetzt nicht mehr in derselben Stadt wohnte, und daß Nofreweben zwar reich sein mochte, aber auch fett und fünfzig Jahre alt war, und daß ihm ein Ohr fehlte, seit er in seiner Jugend in ein Handgemenge mit Wüstenräubern geraten war. Aset, die gerade neunzehn war, hatte Huy erklärt, sie müsse ihr Vermögen vermehren und an ihr Unternehmen denken. Huy, der insgeheim die Hoffnung gehegt hatte, in Asets Reederei einzutreten, ihr bei deren Aufbau zu helfen und die kaltherzige ehemalige Schwägerin auszuschalten, sagte sich jetzt, die Ehe mit einer so habgierigen Frau wäre unter allen Umständen zum Scheitern verurteilt gewesen. Alle diese neuen, aufrecht-männlichen Gedanken halfen ihm kurzfristig. Auf Dauer aber waren sie ein kläglicher Trost für ein leeres Bett und Untätigkeit.
    Oberflächlich betrachtet, war das leere Bett ein Mangel, der sich leicht hätte beheben lassen: Hier in Hafennähe waren die Freudenhäuser leicht erreichbar, und die Stadtverwaltung sorgte dafür, daß es sehr sauber dort zuging. Aber ein bezahlter Körper ist kein Ersatz für ein liebendes Herz.
    Mit der Arbeit sah es anders aus. Gewisse einflußreiche Leute kannten die entscheidende Rolle, die Huy bei der Aufklärung des Geheimnisses gespielt hatte, das ein so tragisches Ende genommen hatte, aber keiner von ihnen war sein Freund. Die Behörden duldeten ihn jetzt, obwohl Haremhebs Polizei, die Medjays, ihn gelegentlich immer noch kontrollierten. Seine Hoffnung - einmal wieder als Schreiber arbeiten zu dürfen - war der Erfüllung um keinen Deut nähergerückt. Diskret bewarb er sich also um Aufträge in dem Beruf, den das Schicksal ihm zugewiesen hatte. Ehemalige Kollegen erwähnten seinen Namen und priesen sein Talent, Probleme zu lösen. Er selbst sorgte dafür, daß Leute in Kreisen des Hofes und im Palast, die Ehe- oder Geschäftsprobleme hatten, seinen Aufenthaltsort kannten. Vorläufig konnte er jedoch nichts anderes tun, als herumzusitzen und zu warten und, genau wie seine Vorräte, immer schmaler zu werden.

    Unter dem panischen Geschrei der Matrosen auf dem Vorderdeck lief die mächtige Barke, die vom Gewicht des massiven roten Obelisken in seiner Halterung bis ans Deck ins Wasser gedrückt wurde, den Steuerleuten aus dem Ruder und prallte, von einer kraftvollen Unterströmung des Flusses getragen, gegen die Mole am Kai der Südlichen Hauptstadt. Mehrere Männer wurden von dem Aufprall aufs Deck geschleudert, und in dem Tumult, der nun folgte, sah es aus, als sei das Schiff in der Mitte geborsten und würde hier, am Ende seiner Reise, sinken. Aber die ächzenden Spanten hielten, auch wenn eine Planke im Halbdeck achtern wie vom Blitz getroffen mit einem Krachen zerbrach und einer der Lastkräne am Ufer ins Schwanken geriet und umzukippen drohte.
    Surere, den Chaemhet wie die anderen Gefangenen aus dem Steinbruch, die zur Verstärkung der Besatzung
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