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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil
Autoren: Anton Gill
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mitgefahren waren, von seinen Fesseln befreit hatte, warf einen schnellen Blick nach vorn und achtern. Die Barke schwankte so sehr, daß es schwer war, nicht das Gleichgewicht zu verlieren; dazu überspülte Flußwasser das Deck und machte es schlüpfrig. Über allem schwang der Obelisk in seiner Halterung bedrohlich hin und her, während die Steuerleute sich abmühten, die Barke wieder in ihre Gewalt zu bringen, und die Matrosen den Leuten am Ufer Taue zuwarfen, die diese auffingen und zu mehreren einholten, um das Schiff längsseits an den Kai zu zwingen. Kupferbraune Rücken glitzerten in der Sonne, während die wuchtige Barke sich aufbäumte und bockte, als sei sie lebendig.
    Chaemhet, der neben dem Barkenmeister im Heck stand, schaute mit banger Miene vom Obelisk zum Kai und rief den Männern Befehle zu, die die Haltetaue packten und mit langen Stangen versuchten, die Pendelschwingungen des mächtigen Steins zu bremsen. Surere vergewisserte sich, daß die Aufmerksamkeit des Steinmetzes ganz in Anspruch genommen war, und rannte los. Diese Chance hatten ihm die Götter geschickt, und er würde sie sich nicht entgehen lassen. Gewandt huschte er an einer Reihe von Männern vorbei und mischte sich unter die Matrosen. Schließlich blieb er stehen und warf einen Blick über die Reling zum Ufer. Das Schiff wogte immer noch einen Moment von der Kaimauer fort, krachte im nächsten dagegen, aber es schwankte und schaukelte nicht mehr gar so wild. Wenn er sich beim Sprung verschätzte und ins Wasser fiel, würde er wahrscheinlich zu Tode gequetscht, aber dieses Risiko war nicht allzu hoch.
    Er wartete den richtigen Moment ab, stieg auf die niedrige Holzreling, wobei er nur mit Mühe sein Gleichgewicht halten konnte, und warf einen letzten vorsichtigen Blick zurück, um zu sehen, ob jemand ihn bemerkt hatte. Aber niemand blickte in seine Richtung. Die Aufregung an Bord ließ jedoch allmählich nach, und auch auf die Männer am Ufer, die die Taue strammzogen, mußte er achten. Seine Hand ließ die Reling los, er stieß sich mit den Füßen ab und sprang, so weit er konnte; sein Ziel war ein aufgerolltes Tau neben einem Hartholzpoller.
    Er landete hart und schürfte sich Knie und Handballen an dem Tau auf. Er rollte sich herum und war rasch auf den Beinen, und wie ein Mann, der etwas Wichtiges zu erledigen hat, ging er zielstrebig an der Zuschauermenge vorbei, die zusammengeströmt war, um zu gaffen und den Matrosen gute Ratschläge zuzubrüllen. Niemand nahm Notiz von ihm. Die Barke war anscheinend wieder unter Kontrolle - der dramatische Augenblick vorbei. Ein paar der Arbeiter am Ufer hatten ihre Taue fallengelassen und gingen hinüber, um die Ladekräne zu betätigen.
    Surere klopfte sich den Staub von seinem fleckigen, zerfetzten Kilt und dankte Gott dafür, daß die Zeit in den Steinbrüchen ihn so gewandt und kräftig gemacht hatte. Inmitten der Menschenmenge fühlte er sich sicher und verlangsamte seinen Schritt, um sein pumpendes Herz zu beruhigen. Dann schaute er noch einmal zurück, um einen letzten Blick auf die Barke zu werfen. Er sah, wie Chaemhet nach vorn kam, aber er war zu weit weg, um seinen Gesichtsausdruck zu erkennen, und so konnte er nicht sagen, ob der Steinhauer schon nach ihm suchte. Aber es war ratsam, nichts zu riskieren.
    Er sah einen freien Platz vor sich liegen, den er überqueren mußte, bevor er in die engen Straßen mit den gelben und ockerfarbenen Häusern jenseits des Ufers eintauchen konnte. Erleichtert bemerkte er einen Mann, der eine kleine Prozession von drei hellgrauen Eseln führte; mit gesenkten Köpfen und durchhängenden Rücken schleppten sie ihre schwere Last, Hirse in groben braunen Säcken, die in der Sonne des Spätnachmittags lange Schatten warfen. Surere wartete ab, bis sie auf seiner Höhe waren. Erst dann wollte er es wagen, den Schutz des Menschengewühls am Hafen zu verlassen. Eine Weile bewegte er sich im Schatten der Esel und bog dann hastig in die nächstbeste Seitenstraße ein.
    Er schaute sich nicht noch einmal um. Ob Chaemhet inzwischen bemerkt hatte, daß er verschwunden war? Aber seinen Wortbruch bedauerte Surere nur kurz, denn der Gedanke daran, was mit ihm geschehen würde, wenn man ihn wieder einfing, vertrieb alle seine Skrupel und beschleunigte seinen Schritt.
    Bald fand er sich in einer kühlen Straßenschlucht wieder. Er hastete zwischen fensterlosen Mauern dahin, bog um eine Ecke, und plötzlich waren die Geräusche des Hafens gänzlich verstummt. Er blieb
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