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Galaxis Science Fiction Bd. 05

Galaxis Science Fiction Bd. 05

Titel: Galaxis Science Fiction Bd. 05
Autoren: Lothar (Hrsg.) Heinecke
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DAS OBSERVATORIUM ……
 
    Lothar Heinecke
 
    Vermutlich haben Sie noch nie einen Bewohner des Planeten Methania gesehen, und es ist auch nicht wahrscheinlich, daß Sie je einen sehen werden. Eigentlich schade, denn die Methanier sind liebenswerte Leutchen, trotz ihres merkwürdigen Aussehens und ihrer seltsamen Sitten und Gebräuche. Sie stammen von Vögeln ab, sind ungefähr anderthalb Meter groß, haben lange, bis auf den Boden reichende Arme, einen Schnabel und drei Augen. Das dritte ist eine Art Röntgenauge mitten auf der Stirn, mit dem sie glatt durch die Wand sehen können. Die Kinder schlüpfen aus Eiern, und die Mütter tragen ihre Babies die erste Zeit über in einer Hautfalte mit sich herum. Die langen Arme und die dreifingrigen krallenähnlichen Hände sind die Überreste einstmals großer Flügel. Die Knochen der Methanier sind innen hohl und mit einem Helium-Stickstoff-Gemisch gefüllt. Sie tragen ein pelziges Federkleid und atmen das übelriechende Methangas, das für uns Menschen reines Gift ist. Umgekehrt würden die Methanier in unserer Sauerstoffatmosphäre ersticken.
    Sie sind von uns so verschieden, wie es ein anderes intelligentes Wesen nur sein kann. Verständlich – denn sie leben nicht auf der Erde, sondern auf dem vierten Planeten des Sternes Arkturus, rund 32 Lichtjahre von uns entfernt. Methania selbst ist ein Planet, dessen Schwerkraft elfmal größer ist als die der Erde, dessen Lufthülle aus Methan und dessen Ozeane und Seen aus flüssigem Ammoniak bestehen. Die Temperaturen schwanken zwischen minus 50 Grad im Sommer und minus 100 im Winter, und die Pflanzen wachsen von oben nach unten, mit den Wurzeln in der Luft und den Früchten im Boden.
    Das klingt unglaublich, nicht wahr? Nun, ich muß Ihnen gestehen, daß es sich bei Methania auch nur um einen erdachten Planeten handelt. Trotzdem gibt es in Amerika eine Menge Leute, die sich mit seinen Bewohnern, ihren Wünschen, Sorgen und Nöten sehr ernsthaft beschäftigen.
    Erdacht und in Szene gesetzt wurde Methania von Professor John E. Arnold, der an dem Massachusetts Institute of Technology, der berühmtesten technischen Hochschule der Staaten, Entwurf, Entwicklung und Formgestaltung von Industrieerzeugnissen lehrt.
    Ich möchte hier etwas abschweifen und Sie kurz an das erinnern, was ich vor zwei Monaten an dieser Stelle geschrieben habe – nämlich daß Science Fiction sich bemüht, eingefahrene Denkgleise aufzuweichen, indem sie mit Ideen experimentiert und mit Vorurteilen und erstarrten Konzeptionen aufräumt. Mit anderen Worten – wer Science Fiction liest, gewöhnt sich daran, nichts als endgültig hinzunehmen, weil ihm die Dinge immer wieder von einer neuen Warte aus gezeigt werden.
    Der Planet Methania und seine Bewohner sind nichts anderes als eine Anwendung dieses Aspekts von Science Fiction auf das sonst so völlig nüchterne Gebiet der Entwicklung neuer industrieller Konsumgüter – also angewandte Science Fiction. Methania ist ein genialer Kunstgriff, der es Professor Arnold erlaubt, der schöpferischen Phantasie seiner Studenten Hilfestellung zu leisten.
    Wir alle besitzen die Fähigkeit, schöpferisch zu denken – eine originelle Lösung auf ein uns gestelltes Problem zu finden. In der Praxis jedoch wird uns der Zugang zu unserem dazu benötigten Wissen oft durch einen geistigen Kurzschluß verwehrt. Um es mit einem simplen Sprichwort zu sagen: Wir sehen allzuoft den Wald vor Bäumen nicht. Die Entwicklung neuer Produkte, die bestimmte menschliche Bedürfnisse befriedigen sollen – angefangen von der Nähmaschine über einen Flaschenöffner bis zu einem Erdbagger – verlangt über nach einem solchen eigenschöpferischen Denken. Wer hier Erfolg haben will, muß sich vorher erst einmal von alten schon vorgedachten stereotypen Konzeptionen freimachen und versuchen, die gestellte Aufgabe völlig unvoreingenommen anzugehen.
    Methania ist der Trick, der künftig Ingenieure und Techniker diese von Vorurteilen unbeschwerte Methode lehrt. Professor Arnold beauftragt seine Studenten – darunter befinden sich oft schon lange in der Praxis stehende »alte Hasen«, die von ihren Arbeitgebern, den größten amerikanischen Industriefirmen, zu Gastseminaren entsandt werden – für die Bedürfnisse der nur gedachten Methanier Erzeugnisse aller Art zu entwickeln. Und da die Umweltbedingungen auf diesem Planeten so unirdisch wie nur möglich sind, können die Studenten nicht einfach schon bestehende Lösungen umändern und
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