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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
Autoren: Joan D. Vinge
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aufmerksam mit einem schwarzglänzenden Auge an. »Gebt auch gut auf dieses Ding acht. Du hast sein Leben gerettet, Ananke, deshalb bist du immer für ihn verantwortlich; du kennst die Regeln.«
    Ananke streichelte nun auch den Quoll, so daß ihre Finger sich flüchtig berührten. »Ich weiß Bescheid, Boss«, sagte er mit leiser, aber gepreßter Stimme. »Auf Wiedersehen.« Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, den Reede unter anderen Umständen als sehnsuchtsvoll bezeichnet hätte; doch wie er Ananke kannte, ergab es keinen Sinn.
    Die Musik wechselte abermals den Rhythmus, und alle blickten hoch. Ein neues Lied begann, und über dem Gemisch aus einheimischen und Außenweltler-Instrumenten schwebte ein neuer, hoher, zauberhafter Ton; etwas Ähnliches hatte Reede noch nie gehört, aber plötzlich fühlte er sich an die Gesänge der Mers erinnert.
    Erst als er sich nach Ariele umsah, merkte er, daß sie nicht mehr neben ihm stand.
    Tor berührte seinen Arm und zeigte auf das Orchester. Mitten unter den Musikanten entdeckte er Ariele, und sie spielte auf der Flöte ihres Vaters. Er wußte, daß sie musikalisch war, aber er hatte keine Ahnung gehabt, daß sie das Instrument beherrschte.
    Wie gebannt lauschte er der Musik. Nach einer Weile fiel ihm auf, daß die anderen dabei waren, sich zu verkrümeln. Ananke hob abschiednehmend die Hand und blickte sich um, dann waren sie verschwunden.
    Reede ging näher an das Orchester heran. Dabei sah er Merovy Bluestone, die neben der Königin stand. Mond hatte den Arm um sie gelegt, und regungslos hörten die beiden Frauen Arieles Spiel zu, während sich Staunen und Kummer auf ihren Gesichtern malten. Er entsann sich, daß Tammies immer eine Flöte bei sich getragen hatte, und vermutlich konnte er sie genauso virtuos spielen wie seine Schwester – und Funke Dawntreader. Er grübelte darüber nach, welche seltsamen Muster Tradition, Erbe und die Umgebung woben, welche Einflüsse Liebe und Traurigkeit hatten; plötzlich wünschte er sich, er wäre entweder noch betrunkener oder ganz nüchtern.
    »Kullervo«, sagte eine Stimme. Er drehte sich um und erkannte Gundhalinu, der neben der Königin gestanden hatte und nun zu ihm kam.
    »Willkommen daheim«, sagte Reede ernst. »Ich gratuliere zu Ihrer Rückkehr ins Land der Lebenden.«
    Gundhalinu schaute überrascht drein, als hätte er sinnloses Zeug geredet. Doch dann nickte er mit dem gleichen Ernst. »Ja ...«, sagte er leise. »Und vielen Dank auch. Ich danke Ihnen für den Beitrag, den Sie dazu geleistet haben.«
    Reede zuckte leicht die Achseln. Jetzt, wo er Gundhalinu aus der Nähe sah, erschrak er über seine verhärmten Züge. Die Strapazen in der Strafkolonie hatten ihre Spuren hinterlassen, und die kurze Zeit seit seine überstürzten Befreiung hatte die tiefeingekerbten Falten in seinem Gesicht noch nicht glätten können. Die schlichte, schwarz-silberne Uniform, die blitzenden Orden und Medaillen, dazwischen das mit grausamen Spitzen versehene Kleeblatt, unterstrichen nur den Ausdruck bitterer Desillusionierung in seinen Augen. »Vielleicht sind wir jetzt quitt«, meinte Reede.
    Gundhalinu lächelte dünn, wie wenn sein Mund das Lächeln verlernt hätte.
    Als die Königin ihre Stimmen hörte, drehte sie sich zu ihnen um. Merovy hatte sich entfernt; Reede nahm an, daß er der Grund für ihr Weggehen war. Die Königin stellte sich neben Gundhalinu, und der Anblick dieser beiden Menschen verschlug Reede momentan die Sprache: Die zwei waren wie Spiegel, wobei einer die Leiden des anderen reflektierte, und nur im Zusammenhang gesehen ergaben ihre individuellen Qualen einen Sinn. Erst jetzt fiel ihm auf, wie stark sich die Königin verändert hatte, so sehr hatte er sich mit seinen eigenen Problemen beschäftigt. Er fragte sich, was die beiden in seinen Zügen lesen mochten.
    »Ich wußte gar nicht, daß sie Flöte spielt«, sagte er und blickte zu Ariele hin, die sich ganz der Musik hingab. Eine Sehnsucht erfüllte ihn, die der süßen, halb traurigen, halb fröhlichen Melodie glich, die sich hoch in die Lüfte aufschwang.
    »Ich auch nicht ...«, murmelte Gundhalinu.
    »Ich auch nicht ...« Die Stimme der Königin schwankte wie das Lied zwischen Freude und tiefer Traurigkeit. Gundhalinu legte seinen Arm um sie und zog sie an sich.
    Sie sah zu ihm auf und nickte, wie wenn er etwas gesagt hätte; zwischen ihnen bedurfte es keiner Worte mehr. Dann wandte sie sich wieder Reede zu, und in ihren Augen sammelten sich die Erinnerungen.
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