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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
Autoren: Joan D. Vinge
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auf die Gundhalinu aber nur gewartet zu haben schien. Bis jetzt hatte er keine Miene verzogen, doch nun lächelte er. Er beugte sich über die Königin und raunte ihr etwas ins Ohr. Überrascht sah sie zu ihm auf. Er schien diese Geste als Zustimmung zu deuten, denn er nahm sie wieder bei der Hand, zog sie an sich und führte sie zum Tanz.
    Die Gäste machten ihnen Platz und schauten tuschelnd zu, während sich die beiden anmutig zu den Klängen der Musik drehten. Auch Reede riß die Augen auf. Er dachte sich, daß selbst die engstirnigsten Kharemoughi-Techs dort unten nicht erstaunter sein konnten als er, Gundhalinu in aller Öffentlichkeit mit der Frau, die er liebte, tanzen zu sehen. Ein Paar nach dem anderen gesellte sich zu ihnen aufs Parkett, bis sie sich inmitten eines farbenprächtigen, wogenden Meers befanden.
    Reede sah, daß Gundhalinu und Mond nur Augen füreinander hatten; ihre Gesichter bildeten einen krassen Kontrast, ein Symbol für die unterschiedlichen Welten, denen sie angehörten; doch in ihren Augen las er die einzige Wahrheit, die er kannte.
    Er entsann sich an Mundilfoere und ließ in seinem Geist das Bild ihrer mitternachtsschwarzen Schönheit erstehen ... Er dachte an alles, was sie ihm bedeutet, und was sie ihm angetan hatte. Zum Schluß hatte sie sich für ihn geopfert. Er erinnerte sich auch an Ilmarinen, den er einst liebte ... und dann weinte er, allein auf seinem einsamen Posten.
    Nach dem Tanz beobachtete er, wie Gundhalinu und die Königin speisten, sich unterhielten, und sich zwischen den Gästen bewegten. Sie blieben immer zusammen und dokumentierten damit, daß sie zueinander gehörten.
    Schließlich zerstreuten sich die Gäste. Als erste entschuldigten sich die Angehörigen der Hegemonischen Elite; sie verließen das Fest, sobald es die Höflichkeit erlaubte; nur Gundhalinu verriet keine Anzeichen von Ungeduld. Reede trat von einem Bein aufs andere, als er sah, wie die Blauen sich nach und nach aus dem Saal verkrümelten; plötzlich packte ihn eine Anwandlung von Energie, als ob eine erdrückende Last von ihm genommen worden wäre.
    Bei einem Geräusch erschrak er und drehte sich um. Mit dem Rücken am Geländer spähte er ins Dunkel. »Ariele?« sagte er, als sie plötzlich still vor ihm erschien. Sie war jetzt anders gekleidet als früher; statt des hauteng sitzenden, knallbunten, aufreizend sinnlichen Bodystocking, den die Außenweltlerfrauen bevorzugten, trug sie nun ein langes, weites Gewand, wie die meisten Tiamatanerinnen. Die Ärmel und das Vorderteil waren bestickt. Um ihren Hals hingen Ketten mit dicken Perlen, die aus Karbunkeln, Achaten und polierten Muscheln bestanden.
    Plötzlich schien sie unsicher zu werden, und sie zögerte. In diesem Moment wurde sich Reede seiner eigenen Reaktion bewußte; er stand in Hab-Acht-Stellung da und umklammerte das Geländer, wie wenn er Angreifer erwartete ... oder einen Geist.
    Er ließ die Balkonbrüstung los und nahm eine lockere Haltung ein. »Wo warst du?« fragte er. »Als die Gäste kamen, sah ich dich in der Halle; auf einmal warst du verschwunden.«
    Gesenkten Blicks stellte sie sich neben ihn, als er die Hand nach ihr ausstreckte. Er legte den Arm um sie, doch sie wandte das Gesicht ab; so wie er es vorhin getan hatte, starrte sie hinunter auf das bunte Treiben. Er spürte, wie sie ihre warme Hand sachte über die seine legte. Seit sie wachgeworden war, seit ihre Mutter sie von den Toten zurückgeholt hatte, fühlte sie sich irgendwie schwerelos, wie wenn sie keinen stofflichen Körper mehr besäße. »Ich tat, was man von mir erwartete«, murmelte sie. »Ich habe die Außenweltler mit gespielter Freundlichkeit begrüßt und ihnen Aufmerksamkeit vorgeheuchelt. Dann ging ich in mein altes Spielzimmer und sah mir die Spielsachen an, die mir gehörten und ... und Tammis ... Ihre Stimme erstarb, und sie schwieg eine geraume Weile. »Ich las in ein paar Büchern, trank Tee und aß dazu Honigküchlein – wie früher, als ich noch ein kleines Mädchen war. Es war sehr friedlich in meinem Zimmer.« Sie sah ihn an. »Hast du den ganzen Abend von hier aus zugeschaut?«
    »Ich bin ein Außenweltler«, sagte er und streichelte ihr Gesicht. Es war keine Antwort auf ihre Frage.
    »Du bist nicht wie sie.« Mißbilligend spähte sie in den Saal, wo sich zwar keine Außenweltler mehr aufhielten, deren Schatten aber immer noch lauerten und ihre Zukunft verfinsterten.
    »Dein Vater ist auch ein Außenweltler«, sagte er, und voller Kummer und
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