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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
Autoren: Joan D. Vinge
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Brüstung und beobachtete die Versammlung drunten; schon seit Stunden verharrte er auf seinem Beobachterposten, ungesehen, obwohl er selbst alles mitbekam. Überall im Palast gab es geheime Zimmer und Winkel, von denen aus man spionieren konnte. Nachdem die Königin verhaftet worden war, hatten Mitglieder des Sibyllen-College ihm alles gezeigt. Die ältere blinde Frau, die dem College vorstand, hatte befohlen, ihn zu schützen, als die Blauen kamen, um ihn abzuholen. Jeder half ihm, sogar die Eltern von Tammis Dawntreaders Witwe. Er entsann sich, mit welcher Sachlichkeit und Ruhe Merovy Bluestone ihn während seiner Krankheit behandelt hatte; er erinnerte sich an ihre Augen ...
    Seufzend wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem farbenfrohen Trubel drunten in der Halle zu. Er wußte nicht mehr, ob er für Karbunkels schrullige Architektur verantwortlich war oder ob man die kapriziösen Verzierungen später, im Laufe der Jahrhunderte, hinzugefügt hatte.
    Jetzt war er jedoch dankbar für die verwunschenen Winkel des Palastes, denn sie hatten sein Leben gerettet. Und nun durfte er ungehindert zusehen, wie sich ein Kreis schloß, den er selbst in Gang gesetzt hatte. Das Fest, auf dem sich Außenweltler und Tiamataner zu einem heiklen diplomatischen Reigen vermischten, wurde anläßlich der Rückkehr des Obersten Richters BZ Gundhalinu gegeben.
    Solange noch ein einzige Kharemoughi dort drunten herumlungerte, wagte er es nicht, in Erscheinung zu treten; er befürchtete, jemand könne ihn als den Schmied erkennen, und er wollte nicht die Aufmerksamkeit der Goldenen Mitte auf sich ziehen. Deshalb sah er von hier oben aus zu, wie sich der Saal langsam füllte; er studierte die unterschiedlichsten Schattierungen von Haut- und Haarfarben, die verschiedenen Kleidermoden und das Verhalten der Menschen, das von ostentativer Zurschaustellung bis zu schlichter Zurückhaltung reichte; das Beobachten bereitete ihm einen geradezu sinnlichen Genuß.
    Unter den Gästen bewegte sich die Königin, wie zufällig, doch in ihrem Verhalten erkannte er ein bestimmtes Muster. Immer wieder schlenderte sie am Eingangsportal vorbei, ständig blickte sie dorthin, mit wachsen-
    der Nervosität strich sie sich das Haar glatt oder prüfte die Uhrzeit.
    Und endlich war er da, der große Augenblick, dem beide halb unbewußt entgegengefiebert hatten –Gundhalinu traf ein. Die Musik verstummte; die Menschen, die soeben noch getanzt, geschmaust, getratscht
    und politisiert hatten, erstarrten wie zu einem prächtigen Tableau.
    Gundhalinu wurde von Jerusha PalaThion begleitet, die die Uniform und die Insignien ihrer Position als neue Polizeikommandantin trug. Die Stille wurde durch hochbrandenden Applaus unterbrochen. Gleich hinter dem Eingang blieb Gundhalinu stehen, wie wenn er vor dem Lärm zurückprallte. Mit hocherhobenem Kopf stand er da, ohne von der Begrüßung Notiz zu nehmen; sein Blick wanderte suchend über die Menge.
    Dann fand er sie – als sich die Schar teilte, und die Königin hindurchließ; ihr Haar glänzte wie frischer Schnee, und sie trug ein Gewand aus einem moosgrünen Stoff, der mit durchsichtigen himmelblauen Schleiern drapiert war. Die Robe war ganz mit Kristallperlen besetzt, die wie Sterne glitzerten – oder wie die Tränen des Meeres. Statt einer Krone trug sie nur einen schlichten Blumenkranz; mit ausgestreckten Armen ging sie Gundhalinu entgegen.
    Gundhalinu trat vor und nahm ihre Hände in die seinen. Von Angesicht zu Angesicht standen sie sich gegenüber, wagten es jedoch nur, sich mit den Fingerspitzen zu berühren; aber in diesem Augenblick des Kontakts, als ihre Finger sich zu einer intimen Liebkosung ineinander verflochten, lag eine Ekstase von solcher Reinheit, daß sie einem Sakrament glich.
    Schließlich ließen sie die Hände wieder sinken, so langsam, wie wenn es um sie herum keine Schwerkraft gäbe. Gundhalinu wandte sich kurz um und sagte etwas zu Jerusha PalaThion, während er auf eine Stelle hinten im Raum deutete. PalaThion nickte und drängte sich durch die Menge; unterdessen lotste die Königin Gundhalinu an den Gratulanten und Beifallklatschern vorbei, wobei ehemalige Feinde und Freunde wenigstens vorläufig nicht zu unterscheiden waren. Pernatte und die anderen Mitglieder des Hegemonischen Tribunals begrüßten Gundhalinu als erste; Vhanu, der frühere Kommandant, glänzte durch Abwesenheit.
    Plötzlich fingen die Musikanten wieder an zu spielen; es war eine wunderschöne Melodie, die Reede nicht kannte,
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