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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
Autoren: Joan D. Vinge
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Gespannt beugte er sich vor, sah die Zahl und wußte, daß er zu den Verlierern gehörte. Sein Pech schmerzte ihn wie ein Stachel in der Brust, und er fluchte. Die anderen zuckten die Achseln und akzeptierten ihre Niederlage, wie sie sich in alles andere fügten. Er war selbst überrascht, wieviel ihm die Gewinnchance bedeutet hatte.
    Als der Pirat die Gewinner aufrief, versuchte er, sich auf ein Adhani zu konzentrieren; doch ihm fiel keines ein. Die Verlierer gratulierten den Siegern, derber als nötig, aber mit einer Art Galgenhumor. Rings um ihn her standen die Männer auf, rempelten ihn im Vorbeigehen an und verzogen sich zum Schlafen in ihre Hütten. Es wurde mehr und lebhafter gesprochen als sonst, mitunter sogar gelacht. Er zwang sich zum Aufstehen und spürte, wie jeder Muskel in seinem Körper schmerzte. Wieso war er der einzige, der sich schlechter fühlte, und nicht besser? Vielleicht, weil alle anderen wußten, daß sie diese Welt eines Tages verlassen würden; nur er hatte keine Hoffnung.
    »Heh«, rief jemand. »Seht euch mal den Verräter an!«
    Gundhalinu erstarrte und wandte sich dem Hehler zu, der mit dem Finger auf ihn zeigte.
    »Sein Licht ist auf einmal grün«, sagte der Hehler.
    »Schaut doch!«
    Die anderen kamen zurück und beobachteten interessiert, wie Gundhalinu sich auf den Hehler stürzte und ihn zu Boden warf.
    Gundhalinu hockte auf der Brust des Hehlers und umklammerte seinen Hals. »Noch ein Witz darüber, du Dreckskerl, und ich stopfe dir das Maul mit deiner eigenen Zunge!«
    »Aber es ist wahr!« kreischte der Hehler und zerrte an Gundhalinus Händen. Andere Männer waren zur Stelle und sorgten dafür, daß Gundhalinu von seinem Opfer abließ; dann hielten sie ihn fest.
    »Er sagt die Wahrheit, Verräter«, bekräftigte der Pirat.
    Er baute sich vor Gundhalinu auf, der ihn wütend anstarrte. Als er ein Stückchen poliertes Metall hochhob, sah Gundhalinu im flammenden Widerschein der Sonne sein Spiegelbild; das grüne Licht an seinem Halsblock blitzte wie ein Stern.
    Gundhalinu hörte auf, sich zu wehren, und seine Kinnlade klappte herunter. Sobald die Männer ihn losließen, faßte er an seinen Kragen; hinter den Piraten scharte sich ein Grüppchen Gefangener, die ihn staunend anglotzten.
    »Du sagtest doch, er sei ein Lebenslänglicher«, knurrte der Hehler, während er sich hochrappelte. »Ich dachte, das grüne Licht bekäme er nur für den letzten Marschbefehl ...«
    »Ich war ... ich bin ...«, flüsterte Gundhalinu, sein Spiegelbild anstarrend; er sah einen Mann, den er kaum wiedererkannte, wie er seine schmutzigen Finger gegen den Hals preßte. Er fühlte die leichte Wärme, die von dem Licht an seinem Kragen abstrahlte.
    »Vielleicht ist es ein Irrtum«, mutmaßte jemand. Gundhalinu wirbelte herum und funkelte ihn zornig an.
    Der Pirat legte eine Hand auf Gundhalinus Schulter. »Bei so was irren sie sich nie, Verräter«, sagte er ruhig.
    »Ich setze gleich einen Funkspruch an den Posten ab. Schätze, daß du den Ausflug jetzt doch mitmachst – aber ohne den Rückweg.« Sein Mund zuckte etwas. »Gratuliere. Vielleicht vermissen wir dich sogar ein bißchen ...«
    Gundhalinu nickte leicht und sah dem Piraten fest in
    die Augen. »Ich werde bestimmt an euch denken. Ich werde nichts von alledem hier vergessen.«
    Der Pirat maß ihn mit einem langen Blick und zuckte die Achseln. »Es wäre aber besser, du würdest es vergessen, Verräter. Viel besser sogar.«
    Gundhalinu schüttelte den Kopf und schaute zu Boden. »Ich könnte es nicht, selbst wenn ich wollte«, flüsterte er.
    »Dann ging dein Traum doch in Erfüllung, Verräter«, meinte der Polizistenkiller.
    Gundhalinu sah wieder hoch. »Es scheint so«, murmelte er und lachte gekünstelt. Als er einen Schritt nach vorn ging, hatte er plötzlich Angst, er befände sich in einem Traum. Die Männer machten ihm Platz, wie sie damals, bei seiner Ankunft, beiseite gerückt waren, um einen Mann mit dem grünen Licht durchzulassen. Er ging an ihnen vorbei, und sein Schatten wanderte in der Morgendämmerung auf einem goldenen Pfad. Als er seine Hütte erreichte, kroch er hinein, unter der Anteilnahme der Männer, wie wenn er plötzlich eine besondere Art von Held geworden sei. Seufzend ließ er sich auf
    seine Bettstatt aus Lumpen nieder. Wider Erwarten schlief er sofort ein.
     

TIAMAT
Karbunkel
    R eede Kullervo stand auf dem verborgenen Balkon, der die Empfangshalle überblickte. Fasziniert wie ein Voyeur lehnte er sich über die
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