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Tegernseer Seilschaften

Tegernseer Seilschaften

Titel: Tegernseer Seilschaften
Autoren: Jörg Steinleitner
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vom Kindergarten abholen solle.
    Â»Das geht nicht«, konstatierte Anne, denn die Kindergärtnerin würde das Kind niemals seiner Mutter mitgeben. Im Kindergarten existiere eine Liste, auf der genau stehe, wer welches Kind abholen dürfe. Wenn da seine Mutter ankomme, würde die Frau sie nicht hergeben. Anne hatte gerade erneut und sehr laut »Mist« gerufen, da klingelte ihr Handy. Es war ihre Telefonnummer von zu Hause, Tegernsee. Ihr Herz klopfte.
    Â»Hallo?«
    Es war Bernhard. Doch Anne, die voll in Fahrt war, ließ ihn nicht zu Wort kommen: »Bernhard, erzähl mir das bitte alles später. Der Sepp und ich stehen gerade kurz vor dem Durchbruch. Tu mir einen Gefallen, hol die Lisa vom Kindergarten ab. Ich komme so schnell wie möglich nach Hause!« Pause. »Ja, du musst sofort los. Ciao!«
    Wenige Minuten später nahmen sie den Leibwächter des toten Milliardärs Alfons Kürschner, den ehemaligen Bundeswehrsoldaten Frank Hundt, fest, gerade als dieser seinem eben vom Kindergarten heimgekehrten Sohn ein Stück Pizza klein schnitt. Frank Hundt wehrte sich nicht und ließ sich auch bereitwillig in den Keller führen, um dort seine Trekkingschuhe zu holen.
    In der von Anne geführten Vernehmung, bei der auch der Kripomann Schönwetter und der Wiesseer Polizeichef Nonnenmacher anwesend waren, fasste die junge Polizistin den Leibwächter hart an. Dennoch leugnete Frank Hundt alles – bis Anne zum Erstaunen ihrer Kollegen die Trekkingschuhe des Verdächtigen auf den Tisch stellte und aus einer Plastiktüte, die sie unter ihrem Stuhl hervorholte, einen Gipsabdruck zog.
    Â»Herr Hundt, wir sind uns doch einig, dass diese Schuhe hier Ihre sind, oder?« Anne deutete auf die Trekkingstiefel. Hundt nickte irritiert.
    Â»Und würden Sie mir auch zustimmen, wenn ich sage, dass dieser Gipsabdruck hier zu hundert Prozent mit der Sohle Ihres linken Schuhs übereinstimmt?« Sie hielt den Schuh mit der Sohle nach oben neben den Gips. Hundt antwortete nicht, sondern senkte den Blick. Dafür rissen Kastner und Nonnenmacher die Augen weit auf. Ihnen war völlig unerklärlich, wo dieser Gipsabdruck plötzlich herkam.
    Â»Diesen Gipsabdruck habe ich …«, Anne hielt inne, warf Nonnenmacher einen kessen Blick zu und wandte sich dann erklärend an Schönwetter, »… haben wir zwei Tage nach Fichtners Tod am Tatort gesichert.«
    Der Rest der Vernehmung war, so sollte es am Abend Nonnenmacher seiner Frau erzählen, »eine g’mahte Wies’n«: Hundt gab unumwunden zu, dass er es gewesen war, der Fichtner im Wald aufgelauert und umgebracht hatte. Auf die Frage, wie es ihm gelungen sei, den schweren Bauern am Baum aufzuhängen, ohne dass an dessen Körper Kampfspuren zu entdecken waren, hatte Hundt erklärt, dass er den Landwirt erst mit einem äthergetränkten Tuch betäubt, ihm dann eine Schlinge um den Hals gelegt und ihn schließlich daran am Baum hinaufgezogen habe.
    Erstaunt reagierte Hundt auf Sepp Kastners Frage nach dem Hosenträger im Schritt: »Wie meinen Sie das?«
    Â»Na ja, Sie haben doch den Hosenträger zwischen den Beinen vom Fichtner Ferdl durchgezogen. Warum haben’s das gemacht?«, fragte Kastner ungeduldig.
    Â»Ich habe da nichts gemacht«, gab der Leibwächter zurück, woraufhin sich der an sich sachliche Gesprächston in den nächsten Minuten radikal verschlechterte. Erst als Sebastian Schönwetter, der sich bislang zurückgehalten hatte, eingriff und Hundt durch gezielte Fragen zu einer präziseren Darstellung des Tatablaufs zwang, kam heraus, dass Hundt den Bauern überwältigt hatte, als dieser gerade seinen Pullover ausziehen wollte, also zu einem Zeitpunkt, als dessen Hosenträger nicht an ihrem üblichen Platz gewesen waren. Allmählich erinnerte sich Hundt dann auch daran, dass mit den Hosenträgern etwas gewesen war, dass er aber in der Eile und unter dem Einfluss der Angst, entdeckt zu werden, diese wohl an der falschen Stelle zugeknipst haben musste. Sicher könne er das aber nicht sagen.
    Als Schönwetter sich mit diesem Ergebnis zufriedengab, wollte Anne Loop jedoch noch wissen, wie es denn überhaupt so weit habe kommen können, dass er, Hundt, sich bereit erklärt habe, den unschuldigen Bauern zu töten, obwohl er Ferdinand Fichtner gar nicht gekannt habe.
    Einsilbig antwortete der Leibwächter: Kürschner habe gedroht,
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