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Tegernseer Seilschaften

Tegernseer Seilschaften

Titel: Tegernseer Seilschaften
Autoren: Jörg Steinleitner
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Geschäftsführer und Vorstände sortierten Anne und Kastner gleich zu Beginn aus, da sie davon ausgingen, dass diese für einen Auftragsmord nicht infrage kamen.
    Interessant erschienen ihnen aber die Gärtner, der Leibwächter, der Hausmeister und der aus Argentinien stammende persönliche Assistent, der, wie sie nach mehrmaliger Befragung von Elisabeth Gsell herausfanden, eher als eine Art Diener Kürschners fungierte.
    Aber auch in diesem engeren Kreis gab es Männer, die wohl nicht für die Tat infrage kamen: Der Tegernseer Gärtner war bereits im Pensionsalter, ihm war es nicht zuzutrauen, einen schweren Mann wie Ferdinand Fichtner an einem Baum aufzuhängen.
    Der Hausmeister aus München-Grünwald war zwar noch nicht sehr alt, aber mit seinen 1,73   Metern recht schmächtig. Der persönliche Assistent war erst sechsunddreißig Jahre alt und immerhin über 1,80   Meter groß, doch nach einigem Herumgedruckse hatte die Haushälterin des Milliardärs damit herausgerückt, dass der Herr Jean-Pierre sich mehr für Männer interessiere als für Frauen und dass er obendrein einen Waschzwang habe. Anne hätte ihn aus diesen Gründen nicht von der Liste der infrage kommenden Mörder genommen, doch Sepp Kastner fand es unvorstellbar, dass ein schwuler Argentinier mit einer Dreckphobie imstande sei, einen gestandenen Tegernseer Bauern zu überwältigen und dann auch noch an einem Baum am Leeberg aufzuhängen. Das würde geradezu an ein Wunder grenzen.
    Am Ende beschlossen Anne und Sepp Kastner, sich zunächst auf den Münchner Gärtner und den Leibwächter zu konzentrieren. Der Leibwächter hieß Frank Hundt und wohnte, wie auch der auf der Liste verbliebene Gärtner, in einem Kürschner gehörenden Mehrfamilienhaus in Unterhaching, einer Nachbargemeinde des Münchner Nobelvororts Grünwald.
    Hundt war vierundvierzig Jahre alt, fast zwei Meter groß und hatte vor seiner Zeit bei Kürschner als Feldwebel der Bundeswehr gedient. Er hatte eine Frau und zwei Kinder, und Gsell glaubte, dass er bereits seit elf Jahren, oder sogar schon länger, für Kürschner tätig sei. Da Kürschner wegen seines weitverzweigten Firmennetzes viel reisen hatte müssen, schätzte Gsell, dass Hundt der Mann war, der von allen engen Mitarbeitern des Milliardärs am meisten Zeit mit Kürschner verbracht hatte. Denn der Assistent Jean-Pierre sei in erster Linie im Grünwalder Haus und telefonisch für Kürschner tätig gewesen.
    Der Grünwalder Gärtner hieß Alfred Endlkramer, war zweiundfünfzig Jahre alt und lebte allein. Von ihm wusste Frau Gsell nicht viel, da sich ihre Wege selten kreuzten, für den Grundnerhof am Tegernsee gab es ja noch den anderen Gärtner.
    Â»Was sagt dein Gefühl, Seppi – war es der Gärtner oder der Leibwächter?«, fragte Anne ihren Kollegen eines Abends, als sie gerade wieder über dem Fall brüteten.
    Â»Es ist doch eigentlich immer der Gärtner, oder?«, scherzte Sepp Kastner, dem nicht entgangen war, dass Anne ihn als »Seppi« angesprochen hatte, was sie schon lange nicht mehr getan hatte.
    Â»Wollen wir morgen mal nach Unterhaching fahren und die beiden besuchen?«, schlug Anne vor.
    Â»Ja, schon«, meinte Sepp. »Aber was machst du mit Lisa?«
    Anne war völlig überrascht, wie ihr Kollege auf einmal für sie mitdachte, sagte dann aber: »Wir müssen halt gleich los, wenn sie im Kindergarten ist, und mittags wieder zurück sein. Das müssten wir doch schaffen, oder?«
    Das Haus, in dem Frank Hundt und Alfred Endlkramer wohnten, befand sich in einem Wohngebiet. Anne schätzte, dass es Anfang der Achtzigerjahre erbaut worden war. Den Klingelschildern nach zu urteilen, lebten noch zwei weitere Mietparteien darin. Frank Hundt bewohnte die Wohnung im Erdgeschoss, Alfred Endlkramer die ganz oben.
    Als sie bei Hundt klingelten, öffnete ihnen eine Frau, etwa in Annes Alter. Da die beiden Polizisten keine Uniform trugen, schlug die Frau die Tür gleich wieder mit dem Hinweis zu, dass sie nichts kaufen wolle. Hinter ihr war ein Kind in der Wohnung zu hören.
    Durch die geschlossene Tür erklärte Anne, dass sie von der Polizei seien und Herrn Hundt zu sprechen wünschten. Da öffnete Frau Hundt die Tür, und die beiden Ermittler betraten den weiß gefliesten Flur, der sehr aufgeräumt wirkte. Als das Kind die
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