Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tegernseer Seilschaften

Tegernseer Seilschaften

Titel: Tegernseer Seilschaften
Autoren: Jörg Steinleitner
Vom Netzwerk:
Winkeln ins Licht, doch wegen der Kammerjägerinschrift ließ sich auch unter Einsatz höchster Phantasie der eingedrückte Kürschner-Brief nicht entziffern.
    Â»Jetzt brauchen mir die Kripo doch noch«, stellte Kastner trocken fest. »So was ist für die Miesbacher ein Kinderspiel.«
    Fünf Minuten später saßen die drei im Streifenwagen, auf dem Weg nach Miesbach. Sebastian Schönwetter hatte Anne am Telefon seine vollste Unterstützung zugesichert, auch wenn er nicht ganz verstanden hatte, was die Kollegin genau von ihm wollte. Annes Gefühl sagte ihr zudem, dass die bereitwillige Unterstützung nicht in erster Linie durch sein Interesse an dem Fall motiviert war.
    Der schlanke, muskulöse Kripomann begrüßte Anne mit zwei Küsschen auf die Wangen, Sepp Kastner mit Handschlag. Auch Lisa, die er sofort als Annes Tochter identifiziert hatte, versuchte er zu begrüßen, doch Lisa versteckte sich hinter ihrer Mutter und ließ sich dort nicht hervorlocken.
    Schönwetter stellte keine Fragen darüber, warum Lisa mit dabei war, sondern führte die drei in sein Arbeitszimmer, das etwa doppelt so groß wie das von Anne und Sepp war und in dem eine Wand komplett mit Tierpostern bedeckt war. Anne und Sepp Kaster waren ziemlich überrascht, denn eher hatten sie mit Bildern von Surfern und braun gebrannten Bikinimädchen gerechnet. Als Schönwetter die Blicke sah, bemerkte er, fast entschuldigend: »Unsere heimischen Tiere, meine große Leidenschaft.«
    Sepp Kastner nickte anerkennend, und Lisa rief, indem sie auf ein Foto deutete: »Ein Hirsch!«, was Sebastian Schönwetter aufrichtig zu freuen schien. Dann forderte er die drei auf, sich zu setzen, schenkte jedem Wasser ein und fragte, was genau sie von ihm wollten.
    Anne zeigte ihm das Blatt, das sie zur Sicherheit in eine Klarsichthülle gesteckt hatte, und wollte wissen, ob sie hier in der Kripodienststelle die Möglichkeit hätten, die eingedrückte Schrift sichtbar zu machen.
    Â»No problem«, entgegnete Schönwetter, telefonierte kurz einen Kollegen herbei, der das Blatt abholte und eine Viertelstunde später mit diesem und einem zweiten Zettel zurückkehrte.
    In der Zwischenzeit hatte Schönwetter seine Tegernseer Kollegen über die Erkenntnisse der Spurensicherung im Fall Kürschner unterrichtet: dass alle vorgefundenen Fingerabdrücke mit keinem aus der Verbrecherkartei übereinstimmten; dass an der Leiche, außer den Verletzungen, die vermutlich vom Sturz herrührten, keine Spuren von Gewaltanwendung festzustellen waren, dass man aber im Körper des Milliardärs eine Menge medizinischer Wirkstoffe vorgefunden habe. Er berichtete sachlich, nur zum Schluss zeigte er sich erstaunt: »Dass sich Menschen das antun – dass sie einen Beruf ausüben, der sie derart quält, dass sie sich mit Medikamenten und Beruhigungsmitteln, also Gift, vollpumpen müssen, um ihn überhaupt zu ertragen! Sollen sie halt weniger arbeiten und mehr wandern gehen, die Berge sind doch das beste Beruhigungsmittel, das es gibt.«
    Sepp Kastner und Anne schwiegen beeindruckt. Zumindest in diesem Moment konnten sie sich dem Charisma des Kripobeamten nicht entziehen. Schönwetter war zwar beim letzten Einsatz hochnäsig gewesen, aber jetzt zeigte er sich von seiner sympathischen Seite.
    Dann lasen sie gemeinsam den Text, den Schönwetters Kollege entziffert und schnell in den Computer getippt und ausgedruckt hatte:
    Â 
    Sehr geehrter Herr Fichtner, Herr Nagel, Herr Hörwangl und Herr Amend, wenn Sie mich von Ihren unberechtigten Forderungen nicht unverzüglich verschonen, wird das Lied von den Kleinen Negerlein wahr. Sie wissen, dass es da auch erst zehn waren und dann immer weniger wurden. Lassen Sie mich in Ruhe! Gez. Kürschner
    Â 
    Â»Können Sie damit etwas anfangen?«, fragte Schönwetter, dem Kürschners Zeilen ganz offensichtlich überhaupt nichts sagten.
    Anne spielte ihre Aufregung herunter und erwiderte: »Ja schon, aber das ist für den Kürschner-Fall, glaube ich, nicht mehr von Bedeutung, oder, was meinst du, Sepp?«
    Ihr Kollege nickte zustimmend.
    Dann hatte Schönwetter es auf einmal sehr eilig. »Brauchen Sie noch etwas, sonst müsste ich jetzt …«
    Schnell verabschiedeten sie sich, und das Trio machte sich wieder auf den Weg zurück an den Tegernsee.
    Â»Der Kürschner hat also die Kammerjäger
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher