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Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
Autoren: Oliver Buslau
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Prolog
    Hatte Gott gesprochen?
    Oder Satan?
    Padre Antonio war klar, dass die Wege des Herrn unergründlich waren. So unergründlich, dass man manchmal teuflische Absichten dahinter vermuten konnte. Und dass umgekehrt der Teufel süßeste Hoffnungen zu wecken und sogar zu erfüllen pflegte, um den so Verlockten ins Verderben zu führen.
    Nachdenklich blickte der Priester an der Fassade der Kirche San Giorgio empor. An seiner Kirche, in der er mehr als sein halbes Leben dem Herrn diente. Beklemmung quälte ihn. Immer wieder hatte er versucht, sie abzuschütteln, aber es gelang ihm nicht.
    In etwa sieben Metern Höhe stand ein Arbeiter auf einer Leiter und untersuchte die Fassade.
    Äußerlich war an dem Bauwerk nichts Außergewöhnliches zu sehen. Doch das hieß gar nichts. Irgendwo im Inneren konnte das Schreckliche lauern.
    Herr, gib, dass wir noch einmal davongekommen sind, betete Antonio. Gib, dass wir es auch diesmal geschafft haben.
    Er ging die paar Schritte zu der Leiter und wandte sich nach oben. »Wie sieht es aus?«, rief er.
    Der Arbeiter antwortete etwas Unverständliches. Es klang nicht beunruhigend. Und wenn schon, dachte Padre Antonio. Es ging ja nicht nur um die Fassade. Es ging um die Fundamente, um die Statik der riesigen Wände, des Turms.
    Im Inneren war der Ingegnere mit einigen weiteren Leuten bei der Arbeit. Padre Antonio wusste nicht, wie lange sie brauchen würden.
    Im selben Moment setzte sich die Glocke im Turm in Bewegung und schickte vier einzelne Schläge in den Himmel über der kleinen Stadt. Dann folgten zwei weitere, etwas tiefer gestimmte. Vögel stoben auf und flogen als schwarze Silhouetten davon.
    Vierzehn Uhr. Jetzt begann die Beichtstunde. Wenn jemand auftauchte, der seine Sünden vergeben haben wollte, würde der Padre ihn wegschicken müssen. Das Gotteshaus durfte nicht betreten werden.
    Seit Wochen war niemand mehr zur Beichte gekommen. Die Kirchen litten an Besucherschwund. Wenn der Padre daran dachte, spürte er Hilflosigkeit, manchmal auch Zorn. Doch er würde weitermachen. Unerbittlich. Und wenn er irgendwann der Letzte sein sollte, der noch in den Gottesdienst ging. Wenn er die Messe nur noch für sich alleine las.
    Die Leiter vibrierte. Der Arbeiter, ein kugelrunder Mann in blauer Arbeitshose, stieg herunter. Er nahm den gelben Helm ab und strich sich über das verschwitzte Haar.
    »Ich kann nichts finden, Padre. Hier vorn sieht alles gut aus. Sie müssen sich wohl keine Sorgen machen. Drüben in Mugello ist es viel schlimmer.«
    Der Padre nickte. Gott sei Dank. Es war wieder einmal gut gegangen.
    »Warten Sie noch, bis der Ingegnere kommt«, sagte der Arbeiter. »Ich packe schon mal zusammen.«
    Der Platz vor der Kirche war menschenleer. Wo sonst vor allem um diese Zeit reges Treiben herrschte, ging es zu wie in einer Totenstadt.
    Man konnte es den Leuten nicht verdenken. Ihnen stand nicht der Sinn danach, auf den Plätzen zu flanieren oder sich zu unterhalten.
    Zwei Tage war es her, dass am frühen Morgen gegen vier Uhr die Erde gebebt hatte. Zwölf Sekunden, hatten die Nachrichten später gemeldet, aber diese Zeit war jedem, der die Naturkatastrophe miterlebt hatte, wie eine Ewigkeit erschienen.
    Padre Antonio war schlaftrunken und wie in einem Reflex aus dem Bett gestürzt. Ihn hatte gerade ein schrecklicher Traum gequält, der etwas mit seiner Zeit im Priesterseminar zu tun hatte. Doch als er im Schlafanzug neben dem Bett stand und das gewaltige, formlose Rumpeln unter sich spürte, waren alle nächtlichen Hirngespinste wie weggeblasen.
    Er war auf die Straße gelaufen und auf dem Kirchplatz stehen geblieben, während viele andere ebenfalls aus ihren Häusern gestürmt waren. Ein fahler Fleck am Himmel dem Kirchturm gegenüber wetteiferte gerade mit dem Schein der Straßenlaternen. Es war das erste Morgenlicht des Ostens.
    Wie beim Jüngsten Gericht, war es dem Padre durch den Kopf gegangen. Von Osten kommt das Heil. Von Osten wird er kommen …
    Aber es war nicht die Apokalypse, die die Menschen hier erlebten. Es war ein Naturschauspiel, wie es in der Toskana, aber auch in anderen Gebieten Italiens immer wieder vorkam.
    Der Padre schüttelte die Erinnerungen ab. Die Gestalt des Ingegnere erschien in der offenen Kirchentür. Er trug keinen Overall wie der Arbeiter, sondern einen dunklen Anzug, sodass er wie ein Manager wirkte. Unter seinem Arm klemmte eine schwarze Ledermappe.
    Der Padre spürte, wie sein Herz bis zum Hals schlug.
    »Alles in Ordnung«, sagte der
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