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Tegernseer Seilschaften

Tegernseer Seilschaften

Titel: Tegernseer Seilschaften
Autoren: Jörg Steinleitner
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Bräustüberl ist, und dann sehen wir weiter. Aus Tegernsee ist schließlich noch keiner nicht verschwunden. Und wenn er nicht im Bräustüberl ist, dann kannst du dich noch einmal bei uns rühren. Der Sepp hat heute Dienst, der kümmert sich dann gern um die Sache, falls noch etwas sein sollte.«
    Bevor Nonnenmacher die Dienststelle verließ, überprüfte er mit kritischem Blick seinen Arbeitsplatz und rückte noch schnell ein paar Zimmerpflanzen zurecht – Schusterpalme, Drachenbaum, Zimmertanne. Dann instruierte er seinen jüngeren Kollegen Sepp Kastner, der gerade hereinkam, der Putzfrau zu sagen, dass sie heute besonders ordentlich putzen solle, gerade auch die Damentoilette, da morgen um vierzehn Uhr die Neue komme. Dabei versuchte Nonnenmacher möglichst beiläufig über die Neue zu sprechen, was ihm gar nicht leichtfiel, weil er schon ein Foto von dieser Anne Loop gesehen hatte; und wenn die nur halb so gut aussah wie auf dem Bild in der Personalakte, dann würde das eine aufregende Zeit werden am Tegernsee.
    Dem Sepp hatte er das Foto nicht gezeigt. Der war sechsunddreißig und alleinstehend, also praktisch vierundzwanzig Stunden am Tag auf Frauensuche, und Nonnenmacher war sich nicht sicher, ob der Sepp sich würde zurückhalten können bei einer so gut gewachsenen Frau. Was ihn selbst anging, hatte Nonnenmacher da keine Bedenken, er war ja schon sehr lange mit seiner Frau verheiratet und erfahren genug, jeglicher Versuchung zu widerstehen. Glaubte er.
    Die Sache mit dem Ferdl erwähnte er dem Sepp gegenüber gar nicht erst, der Ferdl bestellte sich wahrscheinlich sowieso gerade das dritte Tegernseer Helle und war weit davon entfernt, ein amtlicher Vermisstenfall zu werden.
    Für Anne Loop lief die ganze Sache unter dem Arbeitstitel »Experiment«. Natürlich hatte sie sich um die Stelle in Bad Wiessee beworben, natürlich war die Initialzündung für diese Landpartie von ihr selbst ausgegangen, aber sicher war sie sich nicht, ob das mit ihr und dem Land gut gehen würde. Ihre Beurteilungen an der Polizeischule waren hervorragend gewesen, und sie hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in den meisten anderen Regionen Bayerns eine Stelle gefunden, vor allem in den für Polizisten wegen der hohen Lebenshaltungskosten unattraktiven Metropolen München, Augsburg, Nürnberg und wie sie alle hießen. Aber sie wollte das mit dem Land jetzt einmal ausprobieren – auch ihrer Tochter zuliebe. Lisa sollte dieselbe Chance auf eine normale Kindheit haben wie sie, Anne, auch wenn diese dann so plötzlich hatte enden müssen. Außerdem schien alles wunderbar zu passen: Man hatte ihnen sofort einen Kindergartenplatz zugesagt, und Lisa konnte noch in diesem Jahr in Tegernsee eingeschult werden. Dass sie erst einmal in dem kleinen Tegernseer Ferienhaus der Eltern von Bernhard, ihrem »Freund«, wie sie sagte – korrekt wäre wohl die Bezeichnung »Lebensabschnittsgefährte« gewesen –, wohnen konnten, war natürlich auch ein Argument für das »Experiment« gewesen. Er konnte weiter an seiner Doktorarbeit schreiben und sollte den Haushalt führen. So war das ausgemacht. Mal sehen, ob dieses Modell funktionieren würde.
    Â»Mama, darf ich zum See?«, wurde Anne von ihrer Tochter in ihren Gedanken unterbrochen.
    Â»Allein?«
    Â»Ja, wieso denn nicht?« Lisa schaute sie verdutzt an.
    Â»Bernhard, meinst du, sie kann da schon allein hin? Ist das nicht ein bisschen gefährlich, wo es noch halb Winter ist? Außerdem schneit es doch so stark, Lisa. Da wirst du patschnass. Ist der See eigentlich zugefroren, Bernhard?«
    Bernhard schleppte gerade eine Umzugskiste in den Raum, der sein Arbeitszimmer werden sollte. Mal sehen, ob es ihm hier gelingen würde, endlich seine Doktorarbeit über die Philosophie der Verantwortung zu Ende zu bringen, die seit acht Jahren sein Leben blockierte.
    Â»Lisa, warte kurz, ich trage noch schnell diese Kiste rein, dann haben wir es sowieso schon.« Zu Anne gewandt, die gerade in der Küche herumräumte, meinte er: »Mann, bin ich froh, dass wir hier nicht auch noch neue Möbel reinschleppen müssen!«
    Â»Na ja, also ich bin mir nicht so sicher, ob ich mich in der cremefarbenen Wohnwelt deiner Mutter auf Dauer wohlfühlen werde. Hat sie diese Edelstahllampen eigentlich aus einem Raumschiff rausgeklaut? Ich möchte dann auf
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