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Tegernseer Seilschaften

Tegernseer Seilschaften

Titel: Tegernseer Seilschaften
Autoren: Jörg Steinleitner
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Gesichtshaut schimmerte grau in dem nicht ganz dunklen Zimmer.
    Â»Ein Tier, Bernhard?«
    Â»Das war jetzt ein Fensterladen.«
    Â»Erst ein Tier, Bernhard, und jetzt ein Fensterladen?«
    Bernhard stand auf und schob den Vorhang beiseite. Draußen tobte ein Schneesturm. Die Bäume im Garten schwankten hin und her, trotz der Dunkelheit war alles weiß, auch die Luft, der Himmel. See und Horizont gingen stufenlos ineinander über.
    Â»Das ist der Wind, Anne, und vielleicht ein Tier.«
    Â»Willst du nicht mal nachsehen?«
    Â»Na hör mal, du bist doch die Polizistin!«
    Â»Aber es ist dein Haus, Bernhard, du kennst dich hier aus. Ich finde das unheimlich.«
    Bernhard schnaufte kurz, stand auf, holte mit den nackten Füßen seine Schlappen unter dem Bett hervor und schluppte nach draußen in den Flur. Dort war das Geräusch zwar leiser, aber dennoch zu hören. Anne blieb allein im Zimmer zurück. Jetzt vernahm sie nur noch das Schlagen des Fensterladens.
    Bernhard stieg die knarzende Holztreppe zum Erdgeschoss hinunter, ging erst zur Haustür, um zu überprüfen, ob sie abgesperrt war, dann in die Küche, sah aus dem Fenster und warf einen Blick ins Wohnzimmer, stieg wieder nach oben, öffnete vorsichtig die Tür zu Lisas Zimmer und sah, dass sie ruhig schlief. Alles normal, bis auf das Geräusch vom Dachboden.
    Â»Alles okay«, sagte er, nachdem er sich wieder zu Anne ins Bett gelegt hatte. »Was das genau ist auf dem Dachboden, werden wir morgen herausfinden.«
    Anne konnte nicht mehr einschlafen, dämmerte nur noch vor sich hin. Das Poltern blieb. Konnte es wirklich sein, dass da jemand auf dem Dachboden wohnte? War es die richtige Entscheidung gewesen, aufs Land zu ziehen? Als Lisa um halb sieben an ihrem Bett stand, fühlte sie sich wie gerädert. Beste Voraussetzungen für einen ersten Arbeitstag.
    Â»Mama, es hat die ganze Nacht geschneit, schau mal raus, wie toll das aussieht!«
    Müde stand Anne auf und folgte ihrer Tochter ans Fenster.
    Sie musste doch eingeschlafen sein, denn draußen war schönstes Wetter, kein Sturm mehr, und der Schnee glitzerte in der Sonne.
    Â»Darf ich meine neue rosa Schneehose in den Kindergarten anziehen? Und das gestreifte Kleid?«
    Â»Klar, darfst du.«
    Um 13.57   Uhr stand Anne vor ihrer neuen Arbeitsstelle, Polizeiinspektion Bad Wiessee, Hügelweg 1, gelbes Haus, komische Jalousien. Nicht schön, nicht hässlich, funktional, eine Polizeidienststelle eben.
    Anne hatte Lisa gemeinsam mit Bernhard in den Kindergarten gebracht und dann noch ein wenig im Haus herumgeräumt. Dabei hatte sie durch die Wohnzimmerfenster immer wieder auf den See und die dahinter liegenden majestätischen Berge geblickt. Sie war nachdenklich gestimmt. Erlebte man nicht überall ab und an schlaflose Nächte? Vielleicht war das hier ja doch der richtige Ort, um in ein neues Leben zu starten.
    Sie sog noch einmal tief die frische Luft ein, dann betrat sie das Gebäude.
    An der Empfangstheke wurde sie von einem Uniformierten nach oben in den ersten Stock geschickt, wo der Dienststellenleiter sein Büro hatte. Dort angekommen, klopfte sie kurz und trat nach einem vernehmlichen »Ja, bitte?« ein.
    Der Raum, in dem ein bärtiger Mann saß, roch ein wenig muffig, ungelüftet.
    Der Bärtige blickte nur kurz auf, sagte: »Grüß Gott, nehmen Sie Platz, ich muss das noch schnell fertigschreiben« und fuhr fort, mit zwei Fingern den nicht mehr ganz neuen Computer zu bearbeiten.
    Anne hatte also Zeit, sich umzusehen, und erblickte Grünpflanzen, Büromöbel, ein Telefon, ein Schwarzes Brett mit Telefonnummern und Dienstplänen, einen Kalender mit Bergfotos, auf dem noch das Januarblatt zu erkennen war.
    Â»So, jetzt hab’ ich’s«, sagte der Mann und sprang auf. »Grüß Gott, Frau Loop, ich bin der Nonnenmacher Kurt, Dienststellenleiter hier, entschuldigen Sie, dass es jetzt noch einen Moment gedauert hat, aber wir hatten heute schon einen Selbstmord, und das haben wir nicht alle Tage.« So cool hatte er das eigentlich nicht sagen wollen, das war ihm im Bann dieser schönen Frau jetzt einfach so herausgerutscht.
    Â»Ein Selbstmord?«, fragte Anne überrascht und vergaß dabei völlig, ihren neuen Chef zu begrüßen.
    Â»Jaja, leider auch noch ein – ich sage jetzt mal – Ureinwohner. Der Ferdl ist ein g’standener Bauer, hier
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