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Harmlose Hölle - Raum 213 ; Bd. 1

Harmlose Hölle - Raum 213 ; Bd. 1

Titel: Harmlose Hölle - Raum 213 ; Bd. 1
Autoren: Loewe
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    Sie hörte nur ihr eigenes trockenes Schluchzen und sie hasste sich dafür. Wütend wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. Vermutlich verschmierte sie damit ihre schwarze Wimperntusche, aber das war ihr egal. Hier draußen, hinter dem Schuppen der Mandersons, sah sie sowieso keiner.
    Die Bässe dröhnten aus dem Wohnzimmer zu ihr herüber, fieser Electroclash, der in den Ohren schmerzte. Dazwischen ertönte immer wieder Gelächter, dann ein Krachen und ein Klirren, so als ob ein Bierkasten runtergefallen wäre, ein Mädchen kreischte auf.
    War das ihre Stimme?
    Liv schloss die Augen und sah sie wieder vor sich. Der wippende Pferdeschwanz, das weiße Top mit den goldenen Verschlüssen, die honigbraune Haut, die rosafarbenen Lippen, die sich Daniels Gesicht näherten.
    »Liv?«
    Sie zuckte zusammen und schob sich tiefer in den Schatten hinter dem Schuppen, wo die Mandersons Gartengeräte und den Rasenmäher lagerten. In den Büschen hinter ihr zirpten die Grillen, es war schwülwarm, der Schweiß lief ihr den Rücken hinunter. Irgendetwas kroch über ihren Fuß, es kribbelte und sie musste sich zusammenreißen, um nicht aufzuschreien und es wegzutreten.
    »Liv, bist du da draußen? Komm schon, Süße, wo bist du?«
    Jetzt tauchte seine Gestalt vor dem hellen Viereck der Glasfront auf, die vom Wohnzimmer auf die Terrasse führte. Sie erkannte Daniels breitschultrige Silhouette. Er setzte sich in Bewegung und kam direkt auf sie zu. Rasch duckte sie sich. Ihre nackten Beine wurden von Dornen zerkratzt.
    In ihrem Mund war ein trockener Geschmack, sie hätte das letzte Bier nicht trinken sollen, aber das konnte sie jetzt nicht mehr ändern. Genauso wenig wie die Tatsache, dass sie losgerannt war und sich versteckt hatte wie ein kleines Kind, während ihr Freund, nein, Exfreund, eine andere küsste.
    Sie sah sich um. Hinter dem Schuppen, nur durch ein paar Büsche getrennt, verlief der Zaun, der zur Straße führte. Er reichte ihr bis zur Brust, das konnte sie schaffen. Auf keinen Fall durfte er sie so verheult sehen. Das Ganze war schon demütigend genug.
    Die Partygeräusche traten in den Hintergrund, offenbar hatte jemand die Terrassentür wieder geschlossen. Vorsichtig setzte sie sich in Bewegung, da ertönt eine zweite Stimme, irgendwo links von ihr. Mai Lin, ihre beste Freundin.
    »Livvie?«, rief sie fragend.
    Eine Männerstimme antwortete, das war eindeutig Daniel. Liv biss die Zähne zusammen. Verbündete er sich jetzt auch noch mit Mai?
    Ihr Entschluss stand fest. Rückzug. Als sie loslief, verfing sich ihr Rock in einem dornigen Busch. Mit einem schnellen Ruck riss sie sich los, es gab ein Ratschen, als der Stoff zerriss, dann endlich gab der Busch sie frei. Am Zaun konnte man kaum die Hand vor Augen erkennen, so dunkel war es, aber sie musste ja nichts sehen, sie musste nur hier weg.
    Hinter ihr ertönte ein heiseres Bellen. Mist, den kleinen Kläffer der Mandersons hatte sie ganz vergessen. Das Vieh würde sie zu allem Überfluss noch verraten.
    Sie krallte ihre Hand an den Zaun. Mit dem linken Fuß suchte sie Halt, den rechten schwang sie über die Zaunlatten.
    Ein Ruck, dann war sie auf der anderen Seite.
    »Liv!« Daniels Stimme war plötzlich ganz nah. »Jetzt warte doch mal. Bitte! Ich kann dir das erklären.«
    Sie zögerte keine Sekunde. Sie sprintete los, die Straße entlang, Richtung Constitution Road. Sie hatte keine Ahnung, wie sie von dort aus nach Hause kommen sollte. Die Busse fuhren schon längst nicht mehr, aber sie würde schon eine Lösung finden.
    Ihr eigener keuchender Atem klang laut durch die Nacht. Sie passierte die dunklen Gärten, in denen die riesigen Bäume, für die Eerie berühmt war, wie düstere Monster lauerten. Ab und zu hielt sie inne, um zu horchen, ob ihr jemand folgte, aber sie war allein auf der nachtschwarzen Straße. Daniel war vermutlich schulterzuckend zurück zur Party gegangen und knutschte weiter mit Miss Honey herum.
    Viel Spaß, du Arsch , dachte sie und spürte wieder die Tränen, die in ihr aufstiegen. Bisher hatte sie immer gedacht, so etwas könnte nur anderen passieren. Mädchen, die sich mit Typen einließen, die einfach nur Sex wollten. Daniel war anders. Er war spontan und lustig, eher der lässige Typ, doch das Gegenteil von einem Aufreißer. Sie waren nun schon fast ein Jahr zusammen und sie vertraute ihm. Daniel würde nie …
    Hatte er aber. Sie musste den Tatsachen ins Auge sehen.
    Sie wurde langsamer. Die Musik war längst verklungen und nur
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