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Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Titel: Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt
Autoren: Nick L. Brille
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Verantwortung muss nicht mehr übernommen werden. Kein Zweifel: Es wird Zeit für den Worthülsen-Entlarver.
    Der Entlarver selbst müsste ein Mann (oder eine Frau …) knapper Worte sein. Seine Rede wäre – um es mal mit der Bibel zu sagen – »Ja, ja« oder »Nein, nein«, seine Zuneigung hätte der Eindeutigkeit zu gelten und seine Abscheu der Verschleierung. Er müsste sich aus den Untiefen des Internets in laufende Fernsehdebatten hacken und Textzeilen einblenden können, mittels derer er ganze Absätze hohlen Geschwafels in drei Worte komprimiert. Wenn Staatssekretär B. also sagt, »man müsse vor einer Entscheidung an und für sich natürlich das Rating der Agenturen ergebnisoffen und differenziert einem Evaluierungsprozess unterwerfen«, dann müsste die Simultan-Übersetzung zu lesen sein: »Ich weiß nichts.« Der Worthülsen-Entlarver macht sich die Mühe, in Zeitungen abgedruckte Interviews und Zitate aufmerksam zu lesen und Leserbriefe zu verfassen, in denen er den Inhalt auf die letztlich tatsächlich gesagten zwei Zeilen zusammenfasst. Gäbe es ihn, dann würde er Hitlisten der hohlsten Phrasen und ihrer Benutzer veröffentlichen, würde Verlage wider den Sprachmüll gründen, Gleichgesinnte um sich scharen und ein Bittgesuch an den Bundestag richten, damit die dort stattfindenden Debatten, noch während sie gehalten werden, von Sprachwissenschaftlern auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft würden. Der Entlarver zöge ein Netzwerk gut ausgebildeter Sprach-Techniker heran und würde ihnen verschiedene Sabotagetechniken beibringen. Vorstellbar wären versteckte Lautsprecher in Konferenzräumen, die sich automatisch in Überlautstärke einschalteten, sobald während des »Meetings« die Worte »Arbeitskreis«, »Brainstorming«, »innovativ« und »Win-win-Situation« einmal zu oft gefallen sind. Es gäbe so viel zu tun für den Worthülsen-Entlarver, er hätte so viele Betätigungsfelder. Lehrer und Ärzte, Juristen und Abteilungsleiter, Technokraten und Dozenten – sie alle wären seine natürlichen Widersacher, sie alle müsste er Tag für Tag brüskieren. Seine wichtigste Aufgabe jedoch wäre die Nachwuchs-Rekrutierung, die Ausbildung weiterer Entlarver, denn angesichts der gewaltigen Übermacht der Dummschwätzer stünde ein Mann schon in einer südhessischen Kleinstadt auf verlorenem Posten.
    Der hauptamtliche Worthülsen-Entlarver würde ein Leben führen, das von viel Feind und somit von viel Ehr geprägt wäre. Bewerbungen bitte umgehend an den Verlag.
     
Gefahr: **** (Wie gesagt: viel Feind, viel Ehr. Und kaum etwas ist gefährlicher als ein in die Ecke gedrängter Schwätzer, den man zwingt, sein wahres Gesicht zu zeigen. Können ganz schön hässliche Fratzen sein.)
Langeweile: (Nichts an diesem Beruf könnte je langweilig sein, denn schließlich kann man beinahe alles, was man normalerweise ertragen muss, in einen gezielten Angriff umwandeln. Großartig.)
Seltenheit: (Denken Sie nach, bevor Sie sprechen? Vermeiden Sie unnötiges Geschwätz? Lieben Sie die Sprache und wollen mit ihr das sagen, was Sie wirklich meinen? Bewerben Sie sich. Bald. Seien Sie der Erste – es werden Ihnen Unzählige folgen. Hoffen wir zumindest.)
Ekelfaktor: ** (Wer Tag für Tag mit »Kollateralschäden«, »bilateralen Fragen« und »Human Resources« überhäuft wird, braucht möglicherweise auch einen starken Magen.)
Neidfaktor: ****(Wenn wir uns trauten, würden wir den Beruf sofort ergreifen. Aber wir haben Familien zu ernähren und fürchten uns vor zu vielen Feinden. Sorry.)

Gutmenschen-Erdulder
     
    S ie trennen ihren Müll und kaufen ihre Eier beim Bauern im Dorf. Sie sind gegen Atomstrom und Kohlekraftwerke, spüren jeden Sommer die Klimaerwärmung angeblich am eigenen Leib und spenden für Afrika, Asien und für die Fernsehlotterie. Sie haben immer Verständnis, sind permanent um Ausgleich bemüht, haben selbstverständlich den Militärdienst verweigert, kaufen fair gehandelten Kaffee in Eine-Welt-Läden und tragen nur Textilien, die nachweislich nicht von Kindern produziert wurden. Sie unterschreiben am laufenden Band Petitionen für eine bessere Welt, sind Mitglied im Tierschutzverein und Paten eines großäugigen Kindes aus Burundi und beherbergen seit Jahren den greisen Onkel im Gästezimmer. Sie engagieren sich in der Suppenküche für die Unterprivilegierten, lehnen Flugreisen als ökologisch nicht verantwortbar ab, sind für Schulreformen und gleiche Bildungschancen für alle, beziehen
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