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Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Titel: Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt
Autoren: Nick L. Brille
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hat. Sie haben sicherlich bereits erraten, welchen Namen die in ihre Schranken zu verweisende Kreatur trägt. Richtig: der Wichtigtuer.
    Wichtigtuer sind überall, und sie finden immer neue Lebensräume. Traf man sie früher bevorzugt in Plenarsälen, Vorstandsetagen oder Konferenzräumen an, so begnügen sie sich mittlerweile nicht mehr mit den grell erleuchteten Showbühnen der Politik- und Wirtschaftswelt, sondern befallen auch scheinbar vollständig gesunde Bereiche. So wurden Wichtigtuer-Infektionen mittlerweile auch aus Großraumbüros, aus den Umkleidekabinen der Vereine, aus Fitness-Studios oder Lehrerzimmern gemeldet. Besonders wohl fühlen sie sich in Arbeitskreisen, sinnfreien Face-to-Face-Meetings oder als Teilnehmer an Telefonkonferenzen. Eine große Bedeutung für die Erhaltung ihrer Art haben für Wichtigtuer VIP -Lounges auf Flughäfen oder in Fußballstadien, Business-Abteilungen verschiedenster Verkehrsmittel, ultramoderne Kommunikationsmittel jeder Art. Und dann gibt es da natürlich noch diese Automobile, die Tankstellenpächter zum Lächeln bringen, fast immer vierradgetrieben sind und de facto nur auf linken Spuren fahren können. Der Wichtigtuer bezeichnet sich selbst wahlweise als Manager, Mitglied einer Task-Force, Vice-President, » CEO « oder – in Extremfällen – als Geheimagent. Er spricht seine jeweilige Muttersprache nur noch gebrochen, weil er in jedem Satz, der drei Worte übersteigt, mindestens zwei englische Begriffe unterbringen muss, die es im richtigen Englisch zumeist gar nicht gibt. Wenn seine Muttersprache tatsächlich Englisch ist, wird er französische oder auch deutsche Begriffe verwenden, deren Bedeutung er nicht kennt und auch niemals kennenlernen will. Er ist der Auffassung, im Finanzsektor zu Hause zu sein, eine Nase für Geschäfte zu haben, einen Instinkt für Menschen und Möglichkeiten zu besitzen und sich niemals zu irren. Damit irrt er sich fast immer. Der Wichtigtuer ist meistens männlich – Ausnahmen bestätigen die Regel – und betrachtet das andere Geschlecht mit einer Mischung aus Gier, Verachtung und Unsicherheit. Er hält sich selbst für unwiderstehlich, unverzichtbar und unglaublich clever, behauptet stets, nicht mehr als vier Stunden Schlaf pro Nacht zu benötigen, spielt in seiner Freizeit Polo oder Unterwasserrugby und nennt seinen Erstgeborenen vorzugsweise Maxim oder Cicero.
    Wichtigtuer lassen sich vor allem anhand ihrer Gesten erkennen. Diese sind kurz und werden von ihresgleichen gerne als knapp und prägnant bezeichnet, wirken auf andere jedoch eher fahrig. Mit ihren Händen unterstreichen sie gerne die Bedeutung ihrer Worte und hoffen, dadurch verschleiern zu können, dass sie nichts von Bedeutung gesagt haben. Angeblich entwickeln sie ständig irgendwelche Strategien, prüfen Rankings und konferieren mit Consulting-Agenturen, doch in Wirklichkeit benutzen sie ihre Laptops bevorzugt, um sich auf kostenpflichtigen Internetseiten scharfe Bilder von Leila und Natascha reinzuziehen, deren Leibesübungen sie mit zweifingrig getippten Anfeuerungsrufen begleiten. Sie bezeichnen sich selbst als wertkonservativ und werden nicht selten Generalsekretäre irgendeiner Partei, was jedoch keinesfalls bedeutet, dass sie tatsächlich irgendeine politische Überzeugung hätten.
    Wichtigtuer fühlen sich dann am allerwichtigsten, wenn sie andere von ihrer Wichtigkeit überzeugen können – egal wie und womit. Niederlagen nehmen sie hin, wie es in ihrer Natur liegt: heulend, schreiend, wimmernd und sich über die Ungerechtigkeit der Welt beklagend. Vor anderen Wichtigtuern haben sie in der Regel eine Heidenangst: entweder weil der andere eine höhere Position hat oder weil der andere auf die höhere Position will. Wichtigtuer halten andere oftmals für Wichtigtuer und haben damit häufig recht, was allerdings wenig erstaunlich ist, weil sie sich fast permanent in einer für Wichtigtuer geschaffenen Umgebung bewegen. Ach ja: Wichtigtuer tragen gerne fliederfarbene Hemden. Aber das nur nebenbei.
    Gäbe es den Beruf des Wichtigtuer-Ausbremsers, so müsste sich dieser gründlich auf seine Aufgabe vorbereiten. Zunächst müsste ihm genau vermittelt werden, wo und wann Wichtigtuer am liebsten auftreten, von welchen hohlen Phrasen und blöden Worthülsen sie sich nähren und wodurch sie sich aufrecht halten – denn ein echtes Rückgrat besitzen sie bekanntlich nicht. Anschließend müsste der Wichtigtuer-Ausbremser die Kunst des Tarnens und Täuschens
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