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Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Titel: Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt
Autoren: Nick L. Brille
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heute nicht mehr zwanghaft neuen Lebensraum im Osten requirieren wollen, ist doch alles jenseits unseres Gartenzauns grundsätzlich mal feindliches Gebiet und damit prinzipiell für eine Eroberung vorgesehen.
    Dabei spielt es kaum eine Rolle, von welcher Beschaffenheit, Art oder Herkunft diejenigen sind, die sich neben uns niedergelassen haben, und es ist letztlich auch völlig egal, ob wir mit dem Nachbarn Tür an Tür leben oder das nächste Haus kilometerweit von unserer Scholle entfernt liegt. Ob jenseits der Stachelbeerbüsche oder hinterm Wald, ob es um Wiesen oder Äcker, um Kirschbäume oder Garagen, um Komposthaufen oder Wäscheleinen geht – stets sind wir darauf bedacht, jene Rechte zu wahren, die wir für angestammt halten, jene Privilegien zu schützen, die wir selbst ersonnen haben, und jene Vorurteile zu pflegen, die uns darin bestärken, besser zu sein als andere. Wir nähren in unserer Brust das immerwährende Bedürfnis, jemandem die Schuld an irgendetwas zuzuschieben, und wenn wir nichts finden, was wirklich der Schuldfrage wert wäre, dann denken wir uns etwas aus und schanzen dem Nachbarn die Verantwortung zu. Je lächerlicher, desto nachhaltiger. Wenn wir Glück haben, macht er genau das Gleiche, und wir sind auf Jahre hinaus beschäftigt. Denn tatsächlich dauert es manchmal Jahre, bis Nachbarschaftskonflikte so richtig aufbrechen, aber zuweilen dauert es Jahrzehnte, bis sie begraben werden, und manchmal tragen noch die Enkel die Fehden ihrer Großväter aus. Was früher Frankreich war, ist heute unser Nachbar: der Erbfeind.
    Bedauerlicherweise jedoch sind Nachbarschaftsstreitigkeiten unserem seelischen Wohlbefinden nicht immer zuträglich – im Gegenteil. Manchmal setzt uns der Gartenzauncholeriker aus dem Nebenhaus so zu, dass wir dauerhaft hyperventilieren. Und häufig kränkt uns auch das zur Schau getragene Unverständnis der Gerichte. Die Rechnungen für die Rechtsanwälte gehen enorm ins Geld, der permanente Umgang mit Aktenordnern und das Sammeln von Beweismitteln für nachbarschaftliches Fehlverhalten beraubt uns unserer Lebensfreude, und der Mangel an messbaren Resultaten kostet uns unseren Schlaf. Kein Zweifel: Wir brauchen den Beruf des Nachbarn-Vergraulers.
    Bevor wir schildern, wie man sich diese Profession vorzustellen hätte, möchten wir eine Warnung aussprechen: Liebe Kinder – was ihr in den folgenden Zeilen lest, dürft ihr auf keinen Fall nachmachen. Verstanden? Auf gar keinen Fall. Zugegeben, es klingt verlockend, macht sicher eine Menge Spaß, und eure Eltern wären stolz auf euch und würden euch womöglich sogar belohnen, aber das ist nicht richtig. Ehrlich. Auch wenn es sich richtig anfühlt. Nein, nein, nein!
    Also, ein professioneller Nachbarn-Vergrauler hätte – Sie werden es sich möglicherweise bereits gedacht haben – die Aufgabe, die Nachbarn zu vergraulen. Je nach Ausbildungsstand und Bezahlung müsste man sein Einsatz- und Aufgabengebiet entsprechend definieren und ihn mit den entsprechenden Befugnissen und der dazu passenden Ausstattung versehen. Mag es in einer Schrebergartensiedlung noch genügen, ihm Fotoapparat, Zettel, Papier und Diktiergerät an die Hand zu geben, ihn zur permanenten Überwachung des Gegenübers anzuhalten und ihm aufzutragen, sämtliches Fehlverhalten zu dokumentieren, muss man in einer Villengegend schon stärkeres Geschütz auffahren.
    Dort könnte sich beispielsweise die hingebungsvolle Belüftung eines riesigen Komposthaufens bezahlt machen, dessen Ausdünstungen dauerhaft über dem Swimmingpool des nachbarschaftlichen Anwesens verharren. Dies nun möglicherweise in Kombination mit einem manisch kläffenden Paar Rottweiler, die mittels eines gebrauchten Taschentuchs aus der nachbarschaftlichen Mülltonne sowie einigen dosierten Peitschenhieben auf den Geruch des jeweiligen Nebenhausbewohners geradezu allergisch reagieren. Der Anblick der hasserfüllt kläffenden Bestien kann schon mal dazu führen, dass der Nachbar gegen spontanen Harndrang anzukämpfen hat.
    In der teureren Variante könnte ein Vergrauler mit guten Beziehungen auch verschiedene Baurechtsfragen im Zusammenhang mit dem Nachbarhaus klären lassen, Jugendliche zu Farbbeutelattacken bewegen und mit einer von dressierten Ratten verursachten Verstopfung des Abflussrohres für einen Exodus wegen der sich daraus ergebenden stinkenden Flutung des Erdgeschosses sorgen.
    Natürlich müsste der Vergrauler seine Grenzen kennen, denn in »normalen«
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