Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toedliches Konto

Toedliches Konto

Titel: Toedliches Konto
Autoren: Wolfgang Hirsch
Vom Netzwerk:
1

    Mein Leben ist kompliziert geworden Vielleicht wird es etwas einfacher, wenn ich es aufschreibe. Eher klarer, nicht einfacher. Egal! Vielleicht gerate ich ja auch bald in Gefahr. Oder ich bin es schon. Dann könnten diese Aufzeichnungen zum Verständnis beitragen, was wirklich passiert ist. Vielleicht. (Diese Einführung habe ich später ergänzt, als ich die Gefahr wahrnahm.)

    9. März

    Wo soll ich anfangen? Früher, also vor fünf Jahren, war alles noch ganz einfach. Ich war mit Vera verheiratet und hatte meinen Job bei der Bank, Leiter der Zweigstelle in der Möhlstraße. Keine schlechte Gegend, bestes Bogenhausen, viele wohlhabende Leute in diesem Viertel, gute Kunden. Meine Frau war PR-Managerin in einer Agentur. Kinder hatten wir keine. Das war vor fünf Jahren.
    Eigentlich ist jetzt auch noch alles so. Nur dass ich nicht mehr mit Vera zusammenlebe. Wir hatten uns vor gut vier Jahren getrennt. Das lag an Evelin, die ich damals kennen lernte. Das heißt, ich hatte sie schon früher kennen gelernt, sie war schon seit acht Jahren Kundin in meiner Bank. Aber damals vor fünf Jahren erbte sie das Vermögen ihrer Eltern. Nun ja, es war nicht wirklich ein Vermögen, nicht mal 400.000 Euro. Aber es ergab sich aus dieser Erbschaft ein intensiver Kontakt, zunächst nur dienstlich, dann aber zunehmend auch privat.
    Evelin war damals 44, also fünf Jahre jünger als ich. Sie war sehr hübsch - ist es auch heute noch -, so um die 175 groß, schlank, hat wunderschöne Beine. Ja, im Nachhinein betrachtet waren es sicher ihre Beine, die mich am meisten in ihren Bann gezogen hatten. Wenn sie in den bequemen Besuchersesseln saß, die Beine übereinander geschlagen... Immer top gekleidet. War ja auch kein Wunder, denn sie hatte eine kleine Boutique in der Theatinerstraße mit einer Angestellten. Sie konnte sich also ihre Zeit auch tagsüber freizügig einteilen, was uns bald zugute kommen sollte.
    Liebe - oder was ich dafür halte - hatte ich schon immer sehr intensiv empfunden. Das begann schon, als ich gerade mal zehn war. Es gab da Mädchen, die hatte ich mit wirren Liebesgedanken eingesponnen wie in einen Kokon. Ich habe stundenlang in Gedanken mit ihnen geredet. Und wenn ich abends im Bett lag, redete ich immer noch. Meiner Konzentration beim Lernen hatte das allerdings nicht gut getan. Aber wahrscheinlich wäre ich auch sonst in der 6. Klasse sitzengeblieben. Meine Angebeteten in Wirklichkeit anzusprechen hatte ich mich allerdings nicht getraut.
    Das änderte sich, als ich fünfzehn war. Obwohl ich als Einzelkind eher ein Einzelgänger war, merkte ich doch, dass ich bei gewissen Mädchen ankommen konnte. Das heißt, ich konnte sie ansprechen, und sie haben mir nicht gleich eine Abfuhr erteilt. Das funktionierte aber auch nur bei den Mädchen, die eher schüchtern waren und sich von den Aufreißertypen fern hielten. Wenn dann wirklich so etwas wie eine gegenseitige Zuneigung entstand, fing ich sofort wieder an, einen emotionalen Kokon zu spinnen. Ich wollte unentwegt in Kontakt mit meiner Angebeteten sein, ihr alles erzählen und alles von ihr wissen. Was sie gerade denkt, was sie gegessen hat, was sie geträumt hat, ob sie mich liebt... Ich steckte ihnen in der Pause Zettel zu und war total entnervt, wenn keine Antwort kam. Ich konnte mich in diesen Phasen des Verliebseins auf nichts anderes konzentrieren. Meine Gedanken waren in einem Käfig, und wenn ich nachts um vier oder spätestens fünf aufwachte, drehten sie sich schon wieder wie Mühlsteine in meinem Hirn. Ich empfand die Liebe als höhere Macht, die Begegnung mit diesem Menschen als göttliche Fügung und sah es als unzweifelhaft an, dass diese Bindung bis zum Lebensende bestehen bliebe. Das wiederholte sich mehrmals, immer dasselbe Muster, immer dasselbe Leiden, wenn die Wirklichkeit anders ablief als das Drehbuch in meinem Kopf. Nein, die Liebe war nicht schön, sie war eine Qual.
    Nach der Schulzeit wurde das etwas besser. Zunächst war ich bei der Bundeswehr - eine Zeit, die ich hasste. Während des Studiums fand ich - durch reinen Zufall - Kontakt zu einer politischen Gruppe, in der ich mich wohl fühlte und einige Freundschaften schloss. Zum Glück verliebte ich mich aber nicht.
    Danach begann ich bei der Privatbank, bei der ich auch heute noch bin. Zunächst war ich in der Zentrale, wo es unglücklicherweise viele junge Damen gab, die sehr hübsch und noch allein stehend waren. Ich verliebte mich drei Mal heftig, aber doch nicht mehr so heftig wie in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher