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Toedliches Konto

Toedliches Konto

Titel: Toedliches Konto
Autoren: Wolfgang Hirsch
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freiheitsliebender Mensch sei. Im Gegenteil, eine freie Bindung habe doch einen viel größeren Reiz, biete stets aufs Neue einen Ansporn, den anderen zu erobern und an sich zu binden. Meine Einwände verstand sie geschickt ins Gegenteil zu verkehren, und so begann unsere “wilde Ehe”. Evelin hatte - ebenfalls von ihren Eltern geerbt - eine traumhafte Terrassenwohnung nicht weit weg von meiner Bank mit Blick über den Englischen Garten, so dass ich mich wohnungsmäßig um zwei Klassen verbesserte.

    Das alles muss man vielleicht vorher wissen, um die Turbulenzen in meinem heutigen Leben besser zu verstehen. Gut, es gab in den letzten Jahren noch andere Verwerfungen, aber das ist eine eigene Geschichte, die nicht hierher gehört. Der Anfang der aktuellen Turbulenzen ließ das inzwischen genommene Ausmaß noch nicht ahnen. Eigentlich sind es ja zwei oder drei Anlässe. Die aber nichts miteinander zu tun haben. Ich bringe immer noch keine richtige Ordnung hinein.
    Also: Vor drei Tagen rief mich mein Freund Günther an und wollte sich mit mir treffen. Aber nicht - wie sonst immer - in unserem Weinlokal, sondern bei sich zu Hause. Günther Bartol gehört zu meinen Freunden aus der Studienzeit. Ja, er ist eigentlich mein bester Freund, auch wenn wir uns nur fünf oder sechs Mal im Jahr treffen. Günther ist Steuerberater und gehört außerdem zu einer anderen Clique, einer geradezu verschworenen Gemeinschaft von sieben Männern, die sich auch schon in den Studienjahren zusammengefunden haben. Sie stammen alle aus “besseren Familien” und sind alle schwul. Sie leben inzwischen zum Teil auch im Ausland, machen aber einmal im Jahr eine große gemeinsame Reise. Auf der ersten Fahrt nach St. Petersburg haben sie sich geschworen, immer füreinander da zu sein und sich soweit wie möglich auch geschäftlich zu unterstützen. Seitdem nennen sie sich die Petersburger. Das alles weiß ich natürlich nur von Günther, auch wenn er nie über Einzelheiten gesprochen hat.
    An jenem Abend in Günthers Wohnung unterhielten wir uns zunächst über allgemeine Dinge - die nächsten Landtagswahlen, die Grippewelle, die letzten Steuerschlupflöcher. Auf seinen gerade erst beendeten Segeltörn im Mittelmeer wollte er später zurückkommen. Schließlich kam er zu seinem eigentlichen Anliegen.
    “Walter, ich habe dir doch schon öfters über die Petersburger erzählt. Was ich dir heute sage, ist aber streng geheim. Das darf niemand jemals erfahren. Es ist nämlich gewissermaßen ein Vertrauensbruch, ein Verrat an ihnen. Aber ich habe kein Zutrauen mehr.”
    Der Ernst in seinem Gesicht und seine angstvolle Stimme ließen mich erschrecken. “Was ist denn passiert?”
    “Mein Freund Alfred - der die Firma ‘Introl’ hat, Steuerungstechnik und so ein Zeug - hat mich schon vor vier Jahren nach den Steuergesetzen in Kroatien gefragt. Da er viele Geschäfte mit dem Ausland macht und auch schon mal nach russischen Gesetzen gefragt hatte, dachte ich mir nicht viel dabei.
    Nun war ich ja gerade auf meiner bescheidenen Yacht mit vier Freunden - keine von den Petersburgern - vor Kroatien segeln. Eine wunderschöne Inselwelt, wo ich immer wieder gerne unterwegs bin. An einem Abend lagen wir in der Marina von Vodice, und ich kam mit einem einheimischen Skipper dort etwas ins Gespräch. Ich erzählte ihm, in welcher Marina mein Boot überwintert und dass ich aus München bin. Da sagte er gleich, ja der Alfred Aumüller mit der schönen Yacht da drüben sei ja auch von dort.
    Ich fiel aus allen Wolken, weil ich gar nicht wusste, dass Alfred überhaupt ein Boot hat. Denn wir sind alle so vertraut miteinander, dass es solche Geheimnisse nicht gibt. Nicht geben darf. Und es kam noch schöner. Alfred hätte auf einer nahen Insel eine traumhafte Villa mit privatem Strand und großem Park, das schönste Anwesen weit und breit. Er sei zwar immer nur ein bis zwei Wochen hier, aber das öfters im Jahr.
    Ich war so verblüfft und erschrocken, dass ich schnell das Gespräch beendete. Ich war froh, dass ich meinen Namen nicht genannt hatte, auch wenn es leicht wäre, über den Schiffsnamen an meine Daten zu kommen. Aber so war es nur ein belangloses Gespräch.”
    “Das kann doch alles einen ganz harmlosen Hintergrund haben”, warf ich ein.
    “Ich hatte auch in der Nacht lange darüber nachgedacht, aber ich kam angesichts unserer quasi Blutsbruderschaft der Petersburger auf keinen harmlosen Grund. Alfred führt ein Doppelleben, und wenn er das tut, dann hat er
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