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Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Titel: Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt
Autoren: Nick L. Brille
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karge Schilderung eines Zustandes, in dem grob geschätzt drei Achtel der Weltbevölkerung permanent verharren. Diese Menschen, diese »armen« Menschen bedürfen nicht nur des täglichen Brotes, sondern dringend auch der Möglichkeit, sich selbst aus den nicht selbst verschuldeten Lebensumständen zu befreien, was nicht weniger bedeutet als das von deutschen Politikern immer wieder gern gepriesene Entwicklungshilfemotto »Hilfe zur Selbsthilfe«. »Bildung« heißt das Zauberwort, das zwar nicht unweigerlich zu Wohlstand führt, aber doch zumindest die Chance auf denselben erhöht, und was benötigte die Welt dringender als jene, die sich selbst in der Lage sehen, Bildung zu vermitteln und in die entlegensten Winkel dieser Welt zu tragen – gar bis Ghana, Bangladesch und Tadschikistan oder auch bis Berlin-Neukölln, Hamburg-Billstedt oder ins Münchner Hasenbergl. Diese Idealisten, voller Ideen, Strahlkraft und Enthusiasmus, diese Kämpfer für Freiheit und Brüderlichkeit, diese belesenen, gebildeten, politisch interessierten, unaufdringlichen und gleichzeitig so wunderbar hartnäckigen Menschen könnten – Achtung: jetzt kommt’s – Leuchttürme einer neuen Ära in der postkolonialistischen Zeit werden. Entwicklungshelfer und Verbündete, Wissensvermittler und Schöpfungsbewahrer, Wanderer zwischen den Welten, moderne Gandhis oder Martin Luther Kings, Erneuerer, Gläubige und Glaubende, realistische Idealisten. Sie wären – noch einmal aufgemerkt, bitte – die »Leuchten« der »Armen«, was uns auf direktem Wege zum Ausgangspunkt des ersten Teils unserer kleinen Reise in den spielerischen Umgang mit Begrifflichkeiten führt: zum »Armleuchter«.
    Ist das nicht eine schöne Vorstellung? In jenen Regionen dieser Welt, in denen die Menschen es gerne ein bisschen feierlich haben, in denen Wert auf Rituale und tradierte Umgangsformen gelegt wird, da könnte die Klasse allmorgendlich einen Gruß wie beispielsweise »Der Friede sei mit dir, o Armleuchter« schmettern – in all jenen Gegenden, wo der Ton ein wenig rauer ist und Höflichkeit noch seltener anzutreffen ist als im Bayerischen Landtag, da raunt Sergio, der mehrfach gepiercte Siebtklassenwiedergänger im zarten Alter von neunzehn Jahren seinem Mentor ein liebevolles »Hey, Armleuchter, haste mal ne Fluppe für mich« zu. Ja, da menschelt es, ja, da wird ein Wort mit neuem, liebevollem Leben erfüllt – endlich kommt der Armleuchter zu seinem bisher unbekannten Recht.
    Doch wir hatten Ihnen noch eine zweite Version versprochen. Es ist ja durchaus denkbar, dass Sie sich nicht ganz so sehr mit jenem Ideal des allzeit hilfsbereiten Retters der Ausgegrenzten identifizieren können, dennoch aber wiederholt bereits als »Armleuchter« tituliert wurden. Für diese Option betrachten wir erneut das so unschuldig anmutende Wort, zerlegen es in seine Bestandteile und greifen nun wiederum zunächst auf den ersten Teil zurück. Ein Arm nämlich ist ein äußerst nützliches Instrument, versetzt uns erst in die Lage, unsere Hände ordentlich zu gebrauchen, ist ein Hebel, eine Stütze und notfalls sogar ein drittes oder viertes Bein – je nachdem, wie tief wir gefallen sind oder wie viel wir getrunken haben.
    Wäre es nicht ein geradezu berauschendes Erlebnis, wenn wir diesen unseren Arm – einer von beiden würde vollständig genügen – ein wenig »aufrüsten« könnten? Frei nach dem Motto »Pimp my arm« sozusagen? Vielleicht gibt es in nicht allzu ferner Zukunft Methoden, ihn elastischer zu machen, sodass er um Ecken greifen kann. Möglicherweise könnte man ihn mittels des gezielten Einsatzes leistungsfördernder Mittel – eine Methode, die im Volksmund auch als »lance-armstrongen« bekannt ist – zu einem unvergleichlichen Hebewerkzeug machen, das Autos mühelos aus zu engen Parklücken hebt. Die edelste Form der Veredelung jedoch wäre es wohl, wenn wir unseren Arm zu einer Fackel gegen die Dunkelheit machen könnten – zu einem Teil unseres Körpers also, der die Nacht bei Bedarf erhellt, der uns den Weg durch finsterste Abgründe weist, der als Taschenlampe ebenso fungieren kann wie als rhythmisch mit der Musik pulsierender Stimmungsmacher im Partykeller. Ein leuchtender Arm – das hätte viel Symbolkraft, ein »Armleuchter« wäre dann eine echte Lichtgestalt, sodass man endlich auch Herrn Beckenbauer in den wohlverdienten Ruhestand schicken könnte. Nur ein Nebeneffekt natürlich, aber nicht ganz ohne Bedeutung. Gell, Franz. Müd’
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