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Reibereien

Reibereien

Titel: Reibereien
Autoren: Philippe Djian
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Reiberei, die, -, -en : die partnerschaftli che Beziehungen be- einträchtigende Meinungsverschiedenheit, Auseinandersetzung über etw., Strei tigkeit: hin und wieder mit den Eltern, zu Hause -en haben; es gab oft -en im Betrieb, zwischen den Eheleuten.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    I ch muß sagen, wenn es jemanden gab, mit dem wir nicht gerechnet hatten, dann mit ihm. Meine Mutter wandte sich um und wurde bleich. Ich spürte, wie mir die Kinnlade herunterklappte. Das letzte Mal, daß ich meinen Vater gesehen hatte, war zu Weihnachten gewesen.
    Wir waren alle drei einen Moment wie ver- stei nert. Dann warf mir meine Mutter einen Blick zu, mit dem sie mir verbot, mich zu rühren.
    Mein Vater stand im Türrahmen. Es gab einen Luftstoß, und hinter mir schlug ein Fenster zu. Die Akazienblüten hinter meinem Vater wurden vom Wind hin und her geschüttelt wie Glocken. Der Hund der Nachbarin bellte.
    Dann wandte ihm meine Mutter den Rücken zu. Sie beugte sich über das Spülbecken und nahm wortlos ihre Arbeit wieder auf.
    Da kam mein Vater herein.
    Er humpelte.
    Mit einem Lächeln setzte er sich mir gegenüber.
    Er fragte mich, ob ich mich freue, ihn zu sehen, und gleichzeitig blickte er mehrmals zu ihr hinüber. Ich wußte nicht recht, was ich mit Rücksicht auf sie darauf erwidern sollte. Es sah aus, als stünde sie in Flammen, denn die untergehende Sonne beleuchte te die Küchenecke, aber es lag nicht nur daran. Und so begnügte ich mich mit einem Nicken. Je weniger Ärger ich mit meiner Mutter hatte, desto besser war es für mich.
    »Verzieh dich mal kurz«, sagte sie zu mir.
    Ich war noch so durcheinander, daß ich beim Auf- stehen meinen Stuhl umwarf. Errötend blickte ich meinen Vater an und verdrückte mich.
    Vor dem Haus stand ein großer BMW. Jedesmal, wenn ich meinen Vater sah, fuhr er ein anderes Au to. Der Wagen meiner Mutter wirkte daneben rich tig kläglich.
    Ich fragte mich, ob er die Nacht bei uns verbringen würde. Und falls ja, ob er in meinem Zimmer schlafen würde. Dabei ging ich um sein Auto her um. Es hatte Ledersitze und ein Schiebedach. In unserem Viertel sah man so was eher selten. Es hatte sogar ein Telefon.
    Ich setzte mich gegenüber auf den Bürgersteig. Elf Jahre ist wirklich ein beschissenes Alter. Dann kam mein Vater aus dem Haus. Er zog das Bein nach und blickte sich nach allen Seiten um.
    Anschließend öffnete er den Kofferraum und nahm eine Reisetasche heraus.
    »Alles klar?« rief er mir zu. Seit wir nicht mehr unter demselben Dach wohnten, war das seine Lieblingsfrage. Und meine Antwort war stets ja. Im allgemeinen hatten wir kaum Zeit, uns viel zu erzählen. Er blieb nie sehr lange. Und was sollte ich ihm schon erzählen?
    Als mich meine Mutter rief, sah ich gerade der Nachbarin dabei zu, wie sie ihren Kombi entlud. Der Wind wehte ihr das Haar ins Gesicht, und sie hielt die Autotür mit dem Hintern auf. Ihr Mann, der war gestorben.
    Mein Vater hatte vor, noch in dieser Nacht das Flugzeug zu nehmen. Er meinte scherzhaft, daß es uns nicht umbringen würde, ein paar Stunden mit ihm zu verbringen, aber meine Mutter hatte für diese Art von Humor wenig übrig. Sie sagte zu mir: »Komm, wir gehen einkaufen.« Und dabei warf sie ihm einen vernichtenden Blick zu. Selbst ein paar Stunden waren zuviel für sie.
    Während der Fahrt sagte sie kein Wort. Sie war derart in Gedanken versunken, daß sie sich mit zusammengekniffenen Augen über das Steuer beugte, als sei sie kurzsich ti g geworden oder als sei plötz lich Nebel aufgekommen.
    Die Fahnen des Einkaufszentrums knat- terten im Wind. Meine Mutter parkte den Wagen auf ei nem Platz für Behinderte, aber es war nicht der rechte Augenblick, um ihr mit solchen Nebensäch lichkeiten zu kommen. Oder sie darauf hinzuwei sen, daß zu Hause nichts fehlte. Dafür hatten wir schon am Tag zuvor gesorgt. Sie wirkte völlig hilf los.
    Wir ließen den Einkaufswagen zwischen den Regalen zurück. Sie blieb eine Weile vor den Zwie backpaketen stehen, dann blickte sie mich an, sie war ganz verstört, und dann kehrten wir um.
    Wir gingen in die Cafeteria. Draußen wurde es schon dunkel, die Leute bummelten ziellos umher, und meine Mutter beobachtete mich, während ich eine Cola trank. Sie hatte sich ein Glas Schnaps bestellt und es in einem Zug geleert. Nun trom melte sie ungeduldig mit den Fingernägeln auf den Tisch.
    »Du bist doch einvers ta nden mit mir, nicht wahr?« sagte sie plötzlich zu
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