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Tatort Mosel

Tatort Mosel

Titel: Tatort Mosel
Autoren: Mischa Martini
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Zurlauben? Hatte Gabi schon wieder so eine dämliche Gummipuppe für ihn präpariert? Langsam sollten sie sich mal was Neues einfallen lassen.
    Grabbe ließ sich von einem Streifenwagen zum Moselufer an den Anleger vor dem Wasser- und Schifffahrtsamt bringen.
    Als er den schwankenden Steg betrat, wurde es ihm von einer zur anderen Sekunde bewusst: Die Kollegen brauchten nicht mal eine Gummipuppe zu verstecken. Im Dezernat war bekannt, wie empfindlich Grabbes Magen auf jede Art von motorisierter Fortbewegung reagierte. Selbst eine Autofahrt über kurvige Straßen machte ihm zu schaffen. Er schaute in das dunkelbraune Wasser. Stadler kam ihm entgegen.
    »Bin gleich wieder zurück.« Der Mann in der maßgeschneidert aussehenden blauen Uniform drückte ihm die Hand und lief die Böschung zur Straße hoch.
    Sein Kollege wartete an der Reling und half Grabbe ins Boot. Sie gingen ins Führerhaus. Grabbe blickte über den Fluss. Das Wasser strömte mit großer Geschwindigkeit vorbei.
    »Können wir überhaupt auslaufen?«, fragte er, auf ein Kopfschütteln hoffend.
    »Klar, Kollege, tragen Sie sich bitte noch ins Logbuch ein.« Der Wasserschutzpolizist reichte ihm eine dicke Kladde.
    Grabbe war auf der Hut. Die Show hatte begonnen! Es handelte sich garantiert um dieses unselige Fotoalbum von Stadler, der über Jahrzehnte eine schaurige Sammlung von Wasserleichen angelegt hatte, die auf der ganzen Welt ihresgleichen suchte. Grabbe hatte davon gehört.
    »Ich habe keinen Stift«, sagte er.
    »Moment.« Der Mann zog einen Kuli aus der Innentasche seiner Uniformjacke.
    »Haben Sie keinen Füller?« Grabbe fiel nichts Besseres ein.
    Der Mann drehte sich um. Er kramte in einem Knobelbecher, der, mit allerlei Stiften bestückt, auf einem kleinen Regal neben dem Armaturenbrett stand.
    Grabbe nutzte den Moment und warf einen Blick ins Album. Er erkannte nackte Füße an aufgequollenen Beinen. Sofort klappte er das Album wieder zu. Aber seine Phantasie war angekurbelt worden. Er stellte sich vor, was da noch zu sehen war. Die Verfärbungen, der aufgedunsene Leib, das Gesicht, wenn überhaupt noch erkennbar, wenn nicht die Fische schon …
    Die Tür wurde forsch aufgerissen. Stadler kam zurück.
    »Freitagabend.« Er hob resignierend die Hände. »Es scheint, heute haben alle etwas Besseres vor, als eine Bootsfahrt zu machen. Ich glaube, ein Arzt ist nicht mehr nötig. Darf ich?« Er nahm Grabbe das Album aus der Hand. »Was meinen Sie, Herr Grabbe, sollen wir uns das mal ansehen?«
    Grabbe registrierte wieder, wie sehr das Schiff schon am Anlegesteg schwankte. Er zermarterte sich den Kopf, wie er dieser Situation entrinnen konnte. Seine Augen stierten in die braunen Fluten. Ein Baumstamm sauste vorbei. Grabbe hob die Hand und folgte mit dem Zeigefinger dem hüpfenden Ungetüm: »Was passiert, wenn uns so einer trifft?«
    »Dann saufen wir ab und unsere Frauen kriegen die Pension«, kam es trocken von Stadler. Er wartete einen Moment. Als Grabbe nichts entgegnete, schlug er ihm leicht auf den Rücken: »Späßle gemacht, keiner hat gelacht. Was ist jetzt, wollen Sie sich die Person auf der Insel ansehen?«
    Grabbe nickte. Er hatte das Gefühl, als habe er eben dem Henker zugenickt, der nun den Strick drehte, an dem er gleich baumeln würde.
    *
    Ein Z 3 Roadster Cabrio stand mit offenem Verdeck in zweiter Reihe neben dem Bordstein.
    »Frau gönnt sich ja sonst nichts!«, rief Gabi dem zögernd einsteigenden Walde zu. Er hatte Probleme, seine langen Beine unterzubringen. Zum Verstellen des Sitzes kam er nicht mehr. Kaum hatte sie den Rückwärtsgang eingelegt, machte der Wagen einen Satz. Walde wurde nach vorn geschleudert und gleich darauf, als er nach dem Gurt greifen wollte, nach hinten in den Ledersitz gepresst.
    Mit quietschenden Reifen fuhr Gabi los, um nach wenigen Metern an einem Stopp-Schild abzubremsen. Walde klinkte den Gurt ein und langte mit der rechten Hand nach dem Haltegriff an der Tür.
    »Sag mal, wo hast du die Kohle für dieses Geschoss her?«, rief Walde.
    Auf der kurzen Geraden bis zu der roten Ampel gab sie Vollgas. Als sie zum Bremsen ansetzte, sprang die Ampel um. Sie ging mit hohem Tempo in die dahinter liegende Linkskurve, beugte sich weit zur Beifahrerseite hin und lächelte: »Hast du Schiss? Oder warum guckst du so?«
    »Guck lieber geradeaus«, Walde wies nach vorn, wo sie auf einen vorausfahrenden Pkw zurasten. Ihm war kalt, aber die Jacke ließ sich nicht zuknöpfen.
    Gabi zog nach links und scherte dicht
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