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Tatort Mosel

Tatort Mosel

Titel: Tatort Mosel
Autoren: Mischa Martini
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Freitag, 22. März
    Die drei Männer traten aus der Kneipe auf die dunkle Gasse. Es war spät geworden. Von Westen blies ein kühler Wind. Kurz und Fellrich wandten sich nach rechts, Räumer grüßte mit einer knappen Armbewegung und wendete sich nach links, dem Wind entgegen. Er raffte seinen Trenchcoat und hielt ihn mit einer Hand über der Brust zusammen. Auf der leicht ansteigenden Gasse war er allein unterwegs. Der Hochwasserschutzdamm zur Rechten versperrte ihm den Blick auf den Fluss. Als er den kleinen Platz mit der Bushaltestelle erreichte, sah er die Uhr an der Auffahrt zur leeren Moselbrücke vor sich: 1:20 Uhr. Aus einem Reflex heraus verglich er die Zeit mit seiner sekundengenauen Glashütte-Uhr. Er nickte zufrieden. Auch die genaue Uhrzeit gehörte zum positiven Stadtbild, ebenso wie regelmäßig geleerte Papierkörbe, gefegte Straßen, funktionierende Straßenbeleuchtung, gepflegte öffentliche Anlagen, jahreszeitlich dekorierte Schaufenster. Seine Gedanken wurden von einem Graffito unterbrochen, das er an der Ecke zum Parkplatz an einer Hauswand entdeckte.
    Diese Schweine gehörten eingesperrt, eine gehörige Tracht Prügel sollte ihnen verpasst werden und obendrein gehörten ihnen die Kosten für die Sanierung aufgebrummt, dachte er. Da nützten alle Bemühungen des Aktivkreises wenig, wenn solche lichtscheuen Drecksäcke mit ihrer Pseudokunst die Wände verschandelten.
    Räumer schaute sich um. Er fühlte sich plötzlich beobachtet. Die Straße lag wie ausgestorben da. Der Wind kam jetzt von der Seite. Räumer glättete den Mantel und zog den Schlüssel aus der Tasche. Auf dem kleinen Parkplatz war es so dunkel, dass er seinen schwarzen Wagen auf Anhieb nicht sehen konnte. Wo hatte er ihn noch gleich abgestellt? Er drückte die Infrarotfernbedienung am Schlüsselbund. Ihm war, als habe er einen Schatten gesehen. Er drehte sich einmal um die eigene Achse und drückte immer wieder den in der ausgestreckten Hand gehaltenen Schlüssel. Endlich flackerten gelbe Lichter auf. Dreimal hintereinander zeigten sie ihm den Weg zu seinem Wagen. Der Abstand zum daneben geparkten Auto war nur gering. Räumer musste sich seitwärts zur Wagentür bewegen.
    Als er sich zum Türgriff beugte, schlug seine Stirn hart an die Scheibe. Eine Feuerwerksrakete explodierte in seinem Kopf und leuchtete die Innenwände seines Schädels aus. Seine Schläfe wurde gegen den Holmen oberhalb des Seitenfensters geschleudert. Mit einem ohrenbetäubenden Böller endete das Feuerwerk.
    Räumer erwachte. Sein Kopf rollte hin und her. Er versuchte, die Augen zu öffnen, musste sie aber gleich wieder schließen, so sehr brannten sie. Er versuchte es noch einmal und konnte einen Moment lang blinzeln. Unter seinen Schuhen lief der Weg rückwärts.
    Er versuchte, die Füße zu bewegen.
    Er hatte keine mehr, auch keine Beine, keine Hände, keine Arme, keine Hüfte. Wieder schaffte er es, das Auge ein wenig zu öffnen. Das waren doch seine Beine, die da über den Boden geschleift wurden?
    Das Auge gehorchte nicht mehr. Er spürte seine Zunge, sie war auf einmal ganz heiß. Nein, kalt. Alles wurde kalt. Er hatte noch einen Kopf. Nur noch einen Kopf. Und der wurde in kaltes Wasser getaucht …
    … morgen früh sollte sein Wagen zur Inspektion abgeholt werden, das traf sich gut, da konnten sie auch gleich die Sommerreifen aufziehen …
    In seinem Kopf gab es wieder eine Explosion. Es fehlten diesmal die Farben und statt des Knalls erschien das Gesicht seiner Tochter in den Funken. Sie lachte ihn an, sie saß auf ihrem Pferd, trabte an der Longe, er drehte sich mit, sie entfernte sich, es wurde immer dunkler …
    Das Bild stand am Ende eines Tunnels, in den er sich immer schneller rückwärts hinein bewegte. Das Bild wurde kleiner, bis es nur noch als ein winziger heller Punkt zu sehen war …
     
    Donnerstag, 28. März
    Walde trug sein Fahrrad die Kellerstufen hinauf. Durch den kleinen Verbindungsflur, wo es in den nächsten Monaten stehen sollte, rollte er es in den Garten. Dort hatte er bereits ein paar Werkzeuge, Lappen, Putzzeug und einen Eimer mit warmem Wasser bereit gestellt.
    Ein leichter Wind bewegte die gelb blühenden Forsythien. Zwischen den Hausdächern und den noch kahlen Bäumen der gegenüberliegenden Allee schien die Sonne aus einem wolkenlosen Himmel herab.
    Walde war am Vormittag als einer der ersten Zeugen im Prozess gegen zwei Chirurgen aufgerufen worden, die illegale Organtransplantationen vorgenommen hatten. Er hätte, aus
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