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Tatort Mosel

Tatort Mosel

Titel: Tatort Mosel
Autoren: Mischa Martini
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nein, ich war in Gedanken.« Grabbe war ein schlechter Schauspieler.
    »Haben Sie eigentlich …«, Grabbe wollte es nicht Kotztüte nennen. Allein das ausgesprochene Wort hätte Schlimmes auslösen können, »Tüten an Bord?«
    »Gleich sind wir da.« Stadler legte den Maschinenhebel zurück. Das Boot verlangsamte seine Geschwindigkeit. Die Insel tauchte neben ihnen auf. Grabbe sah, dass die Strömung immer schneller an ihnen vorbei schoss und das Boot, langsamer werdend, an der Insel entlang fuhr.
    »Die Maschine läuft rückwärts, aber ich krieg den Kahn nicht gehalten. So, Achtung, da, sehen Sie?« Stadlers Zeigefinger fixierte einen Punkt am grünen Ufer der Insel.
    Grabbe sah etwas Helles. Eine Gummipuppe? Waren die Kollegen wirklich dermaßen phantasielos und hatten darum so viel Aufwand getrieben?
    »Ist nicht mehr ganz frisch. Scheint angetrieben zu sein.« Stadler sprach vollkommen emotionslos. »Wir können hier nicht anlegen, ich fahre um die Insel herum.«
    Er drehte den Maschinenhebel auf volle Fahrt. Nach wenigen Sekunden schoss das Boot zwischen den Pfeilern der Kaiser-Wilhelm-Brücke hindurch. In einem weiten Bogen wendeten sie hinter der Spitze der Insel und fuhren nun gegen den im Nebenarm etwas langsamer fließenden Fluss an. Stadler übergab das Steuer an seinen Kollegen.
    *
    In dem kleinen Fernseher hoch oben neben der Theke lief ein tonloses Fußballspiel. Dazu sang Keb’ Mo ’And summertime in Compton was not like TV’. Beim Gitarrensolo riss Harry eine seiner beiden Krücken hoch und spielte eine Luftgitarrennummer. Wie immer am Freitagabend war der Muselfesch rappelvoll. Niemanden im Lokal schien das Fußballspiel zu interessieren. Die fünf am Tisch mussten laut reden, um sich gegen die Musik und die übrigen Gespräche in der Kneipe zu behaupten.
    Hauptthema bei Waldes Kollegen war das heutige Schlussplädoyer der Verteidigung im Prozess gegen zwei Ärzte. Diese waren im letzten Jahr im Zuge der Entdeckung von fünf toten Afrikanern in einem gesunkenen Frachtschiff ins Fadenkreuz der Ermittlungen der Trierer Mordkommission geraten. Ihnen wurde Organhandel und illegale Transplantationen in großem Stil vorgeworfen. Dafür sollten sie den Tod der Afrikaner in Kauf genommen haben.
    Harry saß auf einem Hocker, Walde, Gabi, Monika und Sonja standen rund um den Stehtisch. Harry hatte soeben berichtet, dass er sich nach dem komplizierten Oberschenkelhalsbruch, den er sich bei einer Festnahme zugezogen hatte, ein weiteres Mal operieren lassen musste. Gabi war nach Harrys Ausfall auf unbestimmte Zeit von der Sitte ins Morddezernat gewechselt. Sie hatte Sonja, die ihren Platz bei der Sitte eingenommen hatte, überredet, zu dem Umtrunk mitzukommen. Schon bei der ersten Begegnung war Walde Sonjas hinreißende Figur aufgefallen. Jetzt bemühte er sich, sie nicht anzustarren. Frauen wie sie machten ihn verlegen.
    Obwohl sie schon etliche Runden Schwarzbier getrunken hatten, wollte keine rechte Stimmung am Tisch aufkommen.
    »Schreibt so ein Depp heute morgen in der Zeitung, dass die Beerdigung von Mister Z 1.400 Euro gekostet hat«, regte sich Monika, die auch als Pressesprecherin der Mordkommission fungierte, auf. »Kein Wort darüber, was wir alles angestellt haben, um wenigstens herauszufinden, um wen es sich handelt.«
    »Z ist der Mann, den wir im Januar an der Autobahnraststätte gefunden haben«, ergänzte Gabi für Harry.
    »Hab ich gelesen, fünf Schüsse in Kopf und Körper, Tat- und Fundort identisch.« Harry klopfte den Rhythmus der Musik auf die Tischplatte. »Und gestern wurde er in dem kleinen Kaff beerdigt und ihr habt nicht die geringste Spur von einem Täter.«
    Die anderen nickten.
    »Hört sich fast so an, als hätte ich in den letzten Monaten nicht viel verpasst«, sprach Harry weiter.
    Wieder nickten seine Tischnachbarn. Walde schaute sich die Fotos des letzten Trierer Berufsfischers an, die ringsum die Wände zierten. Als sein Blick Sonja streifte, bemerkte er, dass sie ihn ebenfalls anschaute.
    »Habt ihr das abgesprochen, um mich zu trösten?« Harry hob drohend eine Krücke.
    Eine Zeit lang sagte niemand etwas. B.B. King und Eric Clapton wechselten sich in ihren Soli ab. Harrys Krücken blieben an seinen Hocker gelehnt.
    »Wo bleibt denn Grabbe?«, fragte Harry schon zum wiederholten Mal.
    *
    In langsamer Fahrt hielt das Boot vor der Kaiser-Wilhelm-Brücke Kurs auf die Insel. Grabbe stand in der Tür des Führerhauses und stützte sich an der Zarge ab, als der Bug auf
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