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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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Victoria und Juan mitgebracht haben, ein exzellenter Schinken. Während Robertos Bruder mit einem riesigen Messer hauchdünne Scheibchen davon abschneidet, Victoria die Delikatesse den Gästen serviert und sich die allgemeine Aufregung langsam legt, gerät einer immer mehr in Wallung: Opa Willi. Schließlich hat er seit Wochen auf seinem Schifferklavier »La Paloma« geübt und seinem großen Auftritt entgegengefiebert. Während alle noch an ihren Sektgläsern nippen und etwas spanische Gazpacho probieren, tritt er mit breitem Grinsen aus dem Schloss, winkt Marike und Roberto zu sich heran, und haut dann in die Tasten. Opa Willi steht so unter Strom, dass er mindestens fünf Zentimeter größer ist als sonst, er spielt mit vollem Körpereinsatz, seine weißen Haare schwingen im Takt, sein Gesicht ist so rot wie ein Feuerwehrauto. Und direkt neben ihm, den Arm um seine Schultern gelegt, schunkeln: Juan und Victoria. Mit keinem Wort können die drei sich verständigen. Aber eines können sie: zusammen singen. »Ay chinita que si, ay que dame tu amor!« Victoria breitet die Arme aus, strahlt über das ganze Gesicht – und die Spanier grölen und pfeifen.
    Vergessen sind Opa Willis Sorgen, dass er wegen des ausfallenden Kaffees und Kuchens hungern müsste. Vergessen sind auch Marikes und Robertos Angst vor streikenden Fluglotsen, vor 15 Grad, Regenwetter und einer Trauung unter Hirschgeweihen. Es wird ein rauschendes Fest. Julius, Hannes, Paul, Anna und ich bringen unser Stück einigermaßen fehlerfrei über die Bühne. Roberto bedankt sich bei seiner neuen deutschen Familie mit einer Rede, die er zwar selbst nur zur Hälfte versteht (seine Deutschlehrerin hat ihm geholfen), die ihm aber unter den Spaniern (die natürlich noch nicht einmal wissen, worum es geht) einen Ruf als Sprachgenie einbringt. Victoria legt mit ihren Söhnen einen heißen Flamenco aufs Parkett, irgendwann geht die Lampiongirlande auf der Terrasse in Flammen auf und Opa Willi läuft wie beseelt von Tisch zu Tisch und schäkert mit den Spaniern. »Ich habe neun Enkel«, sagt er immer wieder. Dabei stimmt das nicht mehr. Seit diesem Abend hat er noch einen zehnten aus Spanien.
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