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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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Strand, badeten im Mittelmeer, kochten Unmengen zu essen, und jeder war fasziniert von ihren Haaren – weil die so schön weiß waren, wie sie sagten.
    Â»Ich hätte da nie hinziehen können«, sagt Astrid. »Ich wäre todunglücklich geworden. Und ich weiß auch heute erst, was ich damals von meinem Mann verlangt habe. Ich habe es immer selbstverständlich gefunden, dass er sich hier integriert, dass er sich anpasst.«
    Wadi versuchte damals tatsächlich mit wahnsinnigem Ehrgeiz, ein echter Letmather zu werden. Er trat in den Turnverein ein, aß Wiener Würstchen und Kartoffelsalat, lernte Kegeln und trank Bierchen mit den Nachbarn. Er arbeitete 12 Stunden am Tag, wurde Vorarbeiter, und dann sogar Betriebsratschef. »Da haben mich die Deutschen gewählt«, sagt er und lacht. »Das ist schon allerhand, woll?«
    Aber was sich so leicht anhört, war harte Arbeit. »Ich habe die Zähne zusammengebissen«, erzählt Wadi. »Ich musste mich integrieren, sonst wäre ich verloren gewesen.« Also ertrug er die Kälte im Winter und die Kälte der Menschen, er arbeitete fleißig, erkaufte sich die Freundschaft von Astrids kleinen Brüdern mit regelmäßigen Taschengeldzahlungen, und irgendwann liebten ihn sogar Astrids Eltern. Die Leute im Turnverein mochten ihn und seine Lebensfreude sowieso, schnell warf er die Kegelkugel wie ein echter Letmather, brachte das Sauerländische »woll?« über die Lippen, als wäre er dort aufgewachsen, und sein Chef sah in ihm bald einen weiteren Sohn. Nur einer mochte ihn nicht: der Pastor. Wadi wollte nämlich auch noch den letzten Schritt der vollständigen Anpassung in sein neues Leben gehen, er wollte Christ werden, Protestant, wie seine Frau. In die Moschee ging er ohnehin nie. Doch der Pfarrer machte ihm einen Strich durch die Rechnung. »Wenn du getauft werden willst«, sagte er, »dann musst du erst zwei Jahre lang mit den 14-Jährigen zum Konfirmandenunterricht gehen.«
    Das war Wadi dann doch zu viel Arbeit. Schließlich hatte er jede Menge anderer Aufgaben: Er hatte jetzt einen Sohn, den er Volker nannte. »Nach dem Sohn meines lieben Chefs«, sagt er. Er musste sich also um seine Familie in Deutschland kümmern und auch den Kontakt zu seiner Familie im Libanon halten. Das war gar nicht so einfach: Die Telefonverbindung kostete damals sieben Mark pro Minute und musste vorher angemeldet werden. Wadi saß dann vor dem Telefon und wartete auf die Freigabe der Leitung, oft viele Stunden lang. Und wenn er dann endlich den Anruf bekam, dann war schon Mitternacht, und in Tripoli hob niemand mehr ab. Er schrieb daher Briefe. Und einmal im Jahr quetschte er seine Astrid, oft auch noch die Schwiegereltern und seine beiden Schwager in ein Auto, um völlig überladen, mit dem Kind vorne im Fußraum des Beifahrers, 5000 Kilometer bis nach Tripoli zu fahren.
    Wadi fügte sich mit vollem Engagement in sein neues Leben, nur eine Sache machte ihm zu schaffen: dass aus der kleinen 17-jährigen Astrid langsam eine Frau wurde, die ihren eigenen Kopf durchsetzen wollte. Er wollte nicht, dass sie irgendwo alleine hinging. Wenn sie mit ihren Arbeitskollegen eine Weihnachtsfeier hatte, dann sollte sie spätestens um zehn zu Hause sein.
    Â»Er war wahnsinnig eifersüchtig«, erzählt Astrid. »Er kam auch nicht damit klar, dass andere Frauen hier in Deutschland vor der Ehe so viele Freunde hatten. Aber ich habe mir meine Freiheit Stück für Stück erarbeitet.« Sie grinst. »Es hat gedauert, aber ich bin da sehr geschickt: Er denkt, er hat das Sagen, aber im Grunde tut er alles, was ich will.«
    Â»Das ist also das Geheimnis einer langen Ehe«, sagt Marike, die mittlerweile fertig geschminkt auf dem Hotelbett sitzt. »Manipulation! Das muss ich mir merken.«
    Â»Na ja, so gut hat das bei ihr wiederum auch nicht geklappt«, sage ich und setze mich auf den Frisierstuhl. »Wadi tut etwa bis heute keinen Handschlag im Haushalt. Obwohl: Mittlerweile geht er einkaufen, und er kann die Spülmaschine einräumen. Nur anstellen kann er sie noch nicht.«
    Â»Das können viele deutsche Männer dieser Generation aber auch nicht«, sagt Silvia, und dreht den ersten Lockenwickler in meine Haare.
    Ich nicke. »Stimmt, das sagt Astrid auch. Aber es stört sie, dass die arabischen Freunde, die sie mittlerweile in Letmathe haben, offenbar denken, sie sorge
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