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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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nicht genug für ihren Mann. Die Frauen kochen immer Unmengen und geben das Wadi dann in Tupperdosen nach Hause mit. Und wenn er sagt, dass er zum Mittagessen Linsensuppe hatte, dann haben sie Mitleid. Weil es ja keine Hauptspeise gab!«
    Marike grinst. »Das kommt mir doch irgendwie bekannt vor.«
    Fünf Würstchen und ein libanesischer Bollerkopp
    Mittlerweile sieht man Wadi an, dass er immer gut bekocht wurde. Ein stattlicher Bauch wölbt sich unter seinem runden Gesicht. Seine einst schwarzen Locken sind heute grau. »Wenn wir feiern«, sagt er, »dann kaufe ich Gambas und Filet. Dann fühlen sich alle sauwohl bei uns.« Er mag es, die Gastfreundschaft seiner Heimat nach Letmathe zu bringen, und seine Frau steht dann geduldig in der Küche und kocht tonnenweise deutsches und arabisches Essen. »Turnverein, Kegelklub, die waren alle schon hier. Aber wenn die einladen, dann gibt es fünf Würstchen für zwölf Leute«, schimpft er.
    Ja, aufregen kann sich Wadi. Sehr sogar. »Man kann halt überhaupt nicht mit ihm streiten«, sagt Astrid. »Er wird dann laut, tut mir mit Worten weh, das kann er wirklich gut. Er macht das vor allen Leuten, er findet Streit eben überhaupt nicht schlimm. Aber mir ist das peinlich.« Gestritten haben sie wirklich viel in ihren 49 Ehejahren. Oder besser: Wadi hat sich aufgeregt – und Astrid hat ihn ignoriert. »Es bringt ja nichts, wenn zwei rumblöken«, sagt sie. »Ich kenne mich da aus. Mein Vater war auch so ein Bollerkopp.«
    Mit Wadis Art zu streiten hat sich Astrid irgendwann abgefunden, denn nach einer halben Stunde hat er meist schon vergessen, worüber er sich so aufgeregt hat. Nur einmal geriet sie in Panik, dass es einen ernsthaften großen Zwist geben könnte. »Als ich schwanger war mit der Jüngsten«, sagt sie, »da dachte ich: O Gott, eine Tochter! Was passiert, wenn die mal flügge wird?«
    Aus der Nachbarstadt kannte Astrid einen Arzt aus Syrien, der seinen Töchtern nie etwas erlaubte, und die Mädchen hassten ihn dafür wie die Pest. »Ich hatte Angst, dass Wadi unsere Tochter einsperren könnte, dass er auf ihren Ruf achten würde und Angst haben könnte, dass die Leute sagen: Warum passt der nicht besser auf seine Tochter auf.«
    Als Melanie 16 war, brachte sie tatsächlich einen Jungen mit nach Hause. Wadi blieb erst einmal ruhig, es schien schließlich ein netter Typ zu sein. Aber eines Samstagabends wollte der junge Mann nicht nach Hause gehen und übernachtete bei Melanie. Astrid machte kaum ein Auge zu, überlegte die ganze Zeit, wie sie den Jungen am nächsten Morgen an Wadi vorbei aus dem Haus schmuggeln konnte. Und gerade an diesem Morgen ließ Wadi sich Zeit, trank in Ruhe seinen Kaffee, aß sein Frühstück, las Zeitung. »Willst du nicht mal mit dem Hund gehen?«, fragte Astrid.
    Â»Nein«, entgegnete er seelenruhig, »es regnet doch.«
    Astrid hatte Angst: Wadi würde dem Jungen den Hals umdrehen, dachte sie. Aber Wadi ging und ging nicht.
    Sie hatte ja keine Ahnung, dass er längst wusste, wer da oben wie die Maus in der Falle saß. Und Wadi genoss es, seine Frau schmoren zu lassen.
    Â»Natürlich hätte ich Melanie nicht verboten, einen Freund zu haben«, sagt er heute. »Ich kann ihr das doch nicht verbieten, wenn ihre Freundinnen es alle dürfen. Im Libanon wäre das natürlich etwas anderes gewesen.«
    Ich frage mich, ob ich mich genauso anpassen könnte, wenn ich in ein streng muslimisches Land zöge. Vermutlich eher nicht. Meiner Tochter etwa zu erzählen, sie dürfe keinen Sex vor der Ehe haben, oder meinem Sohn zu sagen, er dürfe auf keinen Fall schwul sein, das könnte ich mir nicht vorstellen. Die Grenze zwischen Anpassen und Verrat der eigenen Werte ist da wohl fließend.
    Ob es leichter gewesen wäre, wenn Astrid einen deutschen Mann geheiratet hätte und Wadi eine Libanesin, darüber haben die beiden sich nie Gedanken gemacht. »Für mich war immer klar: Wir gehören zusammen«, sagt Astrid. »Natürlich gab es Krach, und ich dachte, jetzt will ich nicht mehr. Aber dann haben wir geredet und dann war es wieder gut.«
    Bald haben die beiden 50. Hochzeitstag. Und Astrid wünscht sich nichts mehr, als dass die beiden dann endlich kirchlich heiraten können. Heute geht das ja auch ohne dass Wadi getauft ist.
    Â»Apropos Hochzeit«, unterbricht mich
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