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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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Unterhalt hat, sondern während dieser Zeit auf die vereinbarte Morgengabe angewiesen ist,
    f)die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder dem Vater folgen müssen,
    g)die Kinder ausnahmslos in der Religion des mohammedanischen Vaters zu erziehen sind,
    h)der Ehemann berechtigt ist, der Frau zu verbieten, den ehelichen Aufenthaltsort, die eheliche Wohnung, ohne seine Erlaubnis zu verlassen.«
    Â»O Gott«, sagt Marike, »da würde ich als Mutter auch ausflippen.« Silvia hat inzwischen die Haarteile so auf ihrem Kopf angebracht, dass man tatsächlich keinen Unterschied zu ihren echten Haaren erkennen kann.
    Â»Das meiste aus dem Vertrag stimmte natürlich nicht«, erkläre ich. »Astrid hat bis heute ihre deutsche Staatsbürgerschaft, und ihr Mann hat keine anderen Frauen mehr geheiratet. Weil’s zu teuer wäre, sagt er im Scherz. Die Kinder der beiden sind auch keine Moslems geworden, sondern alle getauft.«
    Â»Ich dachte, dass die Kinder eines muslimischen Vaters automatisch Moslems werden.«
    Â»Ja, das stimmt schon. Aber Astrid und ihre Eltern wollten die Taufe, und Wadis Vater auch. Er sagte, dass die Kinder die Religion der Mutter bekommen sollten. Er hatte Angst, dass seine Enkel als Moslems in der Schule gehänselt würden.«
    Â»Der scheint aber ein wirklich toleranter Mann gewesen zu sein«, sagt Silvia, während sie die letzten Blümchen in Marikes voluminösem Haarknoten platziert. Dann tritt sie einen Schritt zurück. »Gefällt es dir so?« Marike dreht ihren Kopf erst nach rechts, dann nach links und nickt schließlich zufrieden.
    Â»Bei Astrid und Wadi war die Situation schon kurios«, erzähle ich. »Die Familie im Libanon war ja einverstanden, dass die Kinder evangelisch getauft werden, aber der deutsche Pastor nicht. Er sagte, dass er keine Kinder taufen würde, die einen muslimischen Vater hätten. Aber dann hat Wadis Chef einen anderen Pastor gefunden, der das gemacht hat. Heute unvorstellbar, oder?«
    Â»Echt unglaublich«, Marike schüttelt den Kopf.
    Â»Nicht bewegen!«, ruft Silvia, die nun mit dem Schminken begonnen hat. »Sonst hast du gleich Wimperntusche an den Haaren.« Dann sagt sie: »Man muss ja überlegen, dass das alles Anfang der 60er passierte. Da war es noch erlaubt, seine Kinder zu prügeln, und ich glaube, man konnte sich in Westdeutschland als Frau nicht ohne Weiteres scheiden lassen.«
    Â»O ja«, stimme ich ihr zu. »Astrid hat erzählt, wie spießig das damals alles war, dass sie etwa vor der Hochzeit schon ein Zimmer für Wadi, sich und das Baby eingerichtet hatte und Wadi auch dort wohnte. Aber wenn Besuch kam, dann wurde sein Oberbett woanders hingelegt. Die Eltern hatten Angst, dass die Nachbarn sie wegen Unzucht anzeigen könnten.«
    Â»Die war doch längst schwanger!«, sagt Marike und lacht.
    Â»Ja natürlich! Und sie war ganz baff, als sie in den Libanon reiste und es da oft fortschrittlicher zuging, als bei ihr zu Hause im Sauerland.«
    Â»Die treten ja nur im Rudel auf!«
    Es war 1963, als Astrid und Wadi ihre Koffer packten, um zum ersten Mal gemeinsam nach Tripoli zu fahren. Astrid war furchtbar aufgeregt. Schließlich hatte sie bisher erst einmal eine Reise gemacht: mit der Arbeiterwohlfahrt nach Sylt.
    Sieben Tage lang saß sie nun mit Wadi im Zug. Draußen zog Österreich vorbei, Ungarn, dann Bulgarien. Es wurde immer heißer und das Sitzen im Zug immer furchtbarer, vor allem nachts. In Istanbul wechselten sie auf die Fähre, und nach sieben Tagen waren sie endlich da.
    Tripoli, Großstadt, Schmelztiegel der Kulturen und Religionen. Astrid war fasziniert und verstört zugleich. Die Familie ihres Mannes war relativ wohlhabend. Dort gab es im Badezimmer sogar ein Bidet, in Letmathe dagegen hatten viele Leute nur ein Plumpsklo neben dem Kuhstall oder eine Gemeinschaftstoilette im Treppenhaus. Aber Astrid vertrug das Essen nicht, die Gerüche, wurde krank, verstand kein Wort, saß nur in der Ecke. Irgendwie passte sie einfach nicht dorthin: Ihre neue Familie war liebevoll und stürmisch, Astrid war schüchtern und verklemmt. Sie kannte das Umarmen und Küssen von zu Hause nicht, und dann war es auch immer und überall so laut.
    Â»Die treten ja nur im Rudel auf«, sagt sie heute, »Wadi hat noch neun Geschwister«.
    Zumindest kümmerte sich die Familie sehr liebenswert um sie. Sie gingen gemeinsam zum
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