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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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Bauch in eine brautkleidkompatible Form zu bringen.
    Zusätzlich erschwert wird so eine Hochzeit normalerweise durch die Erwartungshaltung von Leuten wie Tante Erna und Opa Hans, dass die Braut die jeweiligen Stammesrituale ihrer Sippe ohne Gegenwehr mitmacht, vom Schleiertanz, bei dem auch jeder Onkel zweiten Grades noch einmal das Tanzbein schwingen will, bis zum Strumpfbandwerfen, das ja nicht so schlimm wäre, wenn der Bräutigam dafür nicht unter den Rock krabbeln müsste, um das Band mit den Zähnen vom Bein der Braut abzuziehen (an dieser Stelle seien alle potenziellen Bräute gewarnt: Meiner Erfahrung nach können Reifröcke bei diesem Brauch zu ganz besonders entwürdigenden Momenten führen).
    Insofern hat Marike Glück: In Ostdeutschland sind solche Bräuche nämlich weit weniger verbreitet als in meiner Heimat in Südwestfalen. Und auch die Spanier erweisen sich als äußerst human. Mehr als die »Qué se besen«-Rufe, auf die hin das Paar sich küssen muss, hat Marike nicht zu befürchten.
    Wenn Morten und ich heiraten würden, ginge es da deutlich rabiater zu: In Dänemark wird der Bräutigam gegen Mitternacht von den anderen Männern eingekesselt, hochgehoben, und ihm werden die Spitzen seiner Socken abgeschnitten. Schlimmer noch im Sudan: Da muss die Braut dem Mann den rechten Fuß waschen, nachdem der damit ein Ei zertreten hat. Und in manchen Teilen Kenias bespuckt der Brautvater seine Tochter mit Milch – das soll in Sachen Furchtbarkeit helfen.
    Zum Job der Braut gehört es auch, den ganzen Tag zu lächeln, als hätte sie psychedelisch wirkende Pilze gegessen. Sogar dann, wenn Tante Erna – schon leicht beduselt – noch einmal erzählt, wie das damals war, als die Braut, drei Jahre alt, nackig durch den Schrebergarten flitzte (dieser Part der Hochzeit hat an Grausamkeit gewonnen, seit auch Leute wie Tante Erna wissen, wie man kompromittierende Fotos in eine Powerpoint-Präsentation einfügt).
    Auch wenn ich die Rolle der Braut also gerne anderen überlasse, bin ich mittlerweile ein umso professionellerer Hochzeitsgast: Ich bin Profi im Korsagenschnüren, ich kann Schleppen unversehrt von der Kutsche in die Kirche bringen, aufgeregten Bräuten Mut zusprechen und habe immer Pflaster für geschundene Füße in der Handtasche.
    Marike tut natürlich so, als sei sie die Ruhe selbst. Selbst als wir nach dem Mittagessen zum Schloss aufbrechen – gemeinsam mit den 25 Spaniern, die übrigens entgegen Robertos Befürchtung ohne größere Probleme um halb eins Spaghetti arrabbiata essen konnten. Denn neben den ganzen Pflichten bringt das Brautsein natürlich auch einige Privilegien mit sich: Man darf sich zum Beispiel jede Menge Kleinmädchenträume erfüllen, ohne für eine Tussi gehalten zu werden. Bei Marikes Hochzeit heißt das unter anderem, dass sie eigens eine Friseurin ins Schlosshotel beordert hat, die uns beiden die Haare machen wird (neben der Friseurin hat Marike übrigens auch zwei Haarteile aus Echthaar bestellt, die ihre Hochsteckfrisur auffüllen sollen. Aber das darf ich nicht weitererzählen.)
    Die Lockenwickler dampfen schon, als wir im Ankleidezimmer der Braut ankommen. »Und, wie war die letzte Nacht vor der Hochzeit?«, fragt Friseurin Silvia und holt währenddessen schon mal eine extra große Dose Haarspray raus. »Konntest du schlafen?«
    Â»Ich schon«, antwortet Marike. »Aber ich hoffe, dass der Bräutigam auch genug geschlafen hat, damit er heute Abend durchhält.« Sie erklärt Silvia noch einmal, wie sie sich ihre Frisur vorstellt: ein großer Knoten im Nacken, ohne viel Klimbim und ohne Schleier. Zum Glück hat Silvia einen guten Geschmack. Da ich sehr viele und sehr lange Haare habe und manche Friseurin angesichts dieser Möglichkeiten vor lauter Euphorie alle Techniken in einer Frisur vereinen möchte, die sie je für lange Haare gelernt hat, hatte ich auf einigen Hochzeiten Angst, ein Vogel könnte auf meinem Kopf landen. Schließlich wirkte meine Frisur wie ein optimaler Platz zum Brüten.
    Aber zunächst ist natürlich die Braut an der Reihe. Marike hat heute Morgen noch ein paar Blüten im Blumengarten der Ziegelei gepflückt, die nun verarbeitet werden. Nach all dem Fluglotsen- und Wetterstress ist sie zum ersten Mal seit Tagen entspannt. »Irgendwie war ich in den letzten Wochen so mit Organisieren
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