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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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Marike. »Ich glaube, wir müssen hier langsam mal fertig werden.« Dann steht sie auf und greift nach ihrem Kleid. »Wer hilft mir hier rein?« Sonja und ich drapieren den Unterrock, bringen die Träger an die richtige Stelle. »So«, sage ich zufrieden. »Bauch rein, Brust raus!«
    Â»Jetzt bin ich doch tatsächlich ein kleines bisschen aufgeregt«, sagt Marike.
    Â»Du machst das schon.« Ich drücke sie vorsichtig.
    Dann gehe ich hinunter zum See. Dort sind bereits alle versammelt. Opa Willi ist da, Marikes Mutter, Schwiegermama Victoria natürlich, die 24 anderen Spanier, die deutschen Freunde – und auch Roberto hat es geschafft, seinen schwarzen Anzug rechtzeitig anzuziehen und die schmale Krawatte umzubinden. Jeder sucht nach einem schattigen Platz unter den Bäumen, die Spanierinnen fächeln sich Luft zu. Wer hätte gedacht, dass uns die Hitze zu schaffen machen würde?
    Nur Roberto kann nicht still stehen: Er tigert auf und ab, den Zettel mit seinem Gelöbnis in der Hand. Ich bin wirklich froh, jetzt nicht in seiner Haut zu stecken. Schließlich sind alle Augen auf ihn gerichtet.
    Da ist es doch viel schöner, sich entspannt zurückzulehnen und anderen dabei zuzuschauen, wie nervös sie sind. Allerdings ist man mit gut 1,80 Meter Körperlänge und blonden, frisch drapierten Locken auf einer deutsch-spanischen Hochzeit auch als Gast eine kleine Attraktion. Die spanischen Männer gucken mir zuerst auf die Brüste – die sind schließlich mehr oder minder auf Höhe ihrer Augen –, dann auf die Schuhe, um zu sehen, wie hoch meine Absätze sind, und dann wieder nach oben – in Kenntnis der geringen Absatzhöhe jetzt mit einem doch etwas verstörten Gesichtsausdruck.
    Si! Ja!
    Meine Aufgabe ist es nun, alle in einem Halbkreis aufzustellen. Wir schauen zum See und zu dem riesigen Strauß Blumen, der auf einem Tisch mit weißer Decke steht. Als das Streichquartett einsetzt, drehe ich mich um, und mir läuft ein kalter Schauer den Rücken herunter. Oben am Schloss erscheint Marike, ganz in Weiß, mit den blauen Blüten im Haar und einem bunten Strauß Gartenblumen in der Hand.
    Für solche Fälle habe ich immer ein paar Rechenaufgaben parat. 571 plus 693 minus 259. Ist? Genau: 1005. Ja, ich bin nah am Wasser gebaut und bei jeder »Nur die Liebe zählt«-Sendung sofort bereit, hemmungslos zu weinen. Also rechne ich – das lenkt ab. Man sollte das übrigens nicht zu oft machen. Ich habe mal gehört, dass sich dann im Hirn andere Verknüpfungen ergeben können: dass man irgendwann, sobald man rechnet, anfängt zu heulen.
    Ob das stimmt, weiß ich nicht. Was ich weiß ist, dass Roberto den Trick mit dem Rechnen noch nicht kennt: Seine Augen werden immer feuchter, als Marike strahlend die Wiese hinunterläuft. Sie vergießt übrigens kein einziges Tränchen – sehr souverän.
    Als das Streichquartett zu Ende gespielt und Roberto seine Fassung wiedererlangt hat, beginnt die Zeremonie. Ich soll nun auch meine kleine Rede halten. Normalerweise ist das ja kein Problem – aber bei Hochzeiten gerate ich leider immer etwas außer Kontrolle. Also: Schnell noch eine Rechenaufgabe lösen, Tränen runterschlucken, und dann immer schön Marike ansehen. Die strahlt nämlich auch dann noch, als die Gäste mit ihrer Rührung kämpfen. Ich erzähle Marike und Roberto also ein paar schlaue Gedanken, die sich andere Leute über die Ehe gemacht haben. Dann hält der spanische Trauzeuge eine Rede auf Spanisch. Schließlich sind Marike und Roberto dran. Da kein Pastor und kein Standesbeamter dabei ist, halten auch sie eine kleine Rede und fragen sich am Ende einfach gegenseitig: »Möchtest du dein Leben mit mir teilen?«
    Â»Ja«, antwortet Marike. Roberto versucht ihr daraufhin den Ring anzustecken, scheitert aber zunächst an Marikes von der Wärme leicht angeschwollenen Fingern. Mit etwas Nachdruck klappt es schließlich, und dann darf auch Roberto »Si« sagen. Er bekommt seinen Ring – und dann einen innigen Hochzeitskuss.
    Victoria möchte ihrem Sohn natürlich als eine der Ersten gratulieren. Sie nimmt Robertos Gesicht in beide Hände, um ihn schließlich, immer noch mit feuchten Augen, ausgiebig zu herzen.
    Doch dann ist es mit der Rührseligkeit schnell vorbei: Auf der Terrasse wartet nämlich schon das ganze Schweinebein, das
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