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Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Titel: Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
Autoren: Gerhard Seyfried
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Berlin, Hallesches Ufer, 29. Juni 1911, Donnerstag
    Seit Wochen herrscht in Berlin drückende Hitze. Über dem Asphalt flimmert die Luft. Zur Mittagszeit sind nur wenige Fußgänger unterwegs, aber auf der Straße am Halleschen Ufer braust der Verkehr: Automobile, Omnibusse mit offenem Oberdeck, erschöpfte Pferde vor Droschken und Brauereiwagen.
    Im Schatten der Kastanien am Landwehrkanal stehen zwei Männer und schauen einem qualmenden Schlepper nach, der mit Ziegelsteinen beladene Finowkähne zieht. Einer der beiden trägt die dunkelblaue Uniform eines Marineoffiziers im Kapitänsrang, goldene Knöpfe und Ärmelstreifen blitzen im Sonnenlicht, das durch das Laub spielt. Sein Begleiter ist ein Zivilist, ein stämmiger Mann mit Kaiser-Wilhelm-Schnurrbart, in einem etwas zerknitterten blaugrauen Sommeranzug, auf dem Kopf eine Kreissäge, wie die leichten Strohhüte genannt werden. Eben taucht der letzte Ziegelkahn in den Schatten der Großbeerenbrücke ein, und der Zivilist schnippt den Rest seiner Zigarre ins braungrüne Wasser des Kanals.
    Der bärtige Offizier räuspert sich: » Sehen Sie, Steinhauer, das Problem ist, die Abteilung kann so gut wie keine Erfolge vorweisen. Existiert jetzt knapp zehn Jahre, mit nur drei Mann, von Ihnen mal abgesehen, und einem lächerlich geringen Budget. Wenn sich das nicht ändert, wird man uns früher oder später als überflüssig auflösen.«
    Steinhauer nimmt den Strohhut ab und tupft sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
    » Das alte Lied«, seufzt er, » kein Geld. Ohne Geld keine Agenten. Jedenfalls keine guten.«
    » Eben. Nun, gestern war ich zum Vortrag bei Tirpitz bestellt und mußte mir Vorwürfe anhören, weil wir so wenig Nachrichten aus England liefern. Die Aufklärung dort muß unbedingt forciert werden, sagt mir sein Stabschef. Im Gegensatz zum Generalstab ist die Exzellenz der Ansicht, daß im Konfliktfall Großbritannien in die Reihe möglicher Gegner aufrückt.«
    » Aha. Mal wieder eine Strategieänderung«, bemerkt Steinhauer.
    » Tja. Wir sollen uns weniger um die Flotten der Franzosen und Russen kümmern, sondern uns auf die Royal Navy konzentrieren. Hab die Exzellenz auf unseren chronischen Geldmangel hingewiesen und immerhin erreicht, daß man uns den Jahresetat um zehntausend Mark aufstockt.«
    Steinhauer zuckt die Achseln. » Ein Tropfen auf den heißen Stein.«
    Er weiß, daß N zuwenig Agenten in England hat. Eigentlich so gut wie keine. Die wenigen Spione, die sie dorthin geschickt haben, haben sich bisher allesamt als untauglich erwiesen. Ein paar dieser Männer waren im Gefängnis rekrutiert worden, gegen Straferlaß, um Geld zu sparen. Betrüger und Hochstapler, ja, aber man hoffte, die wären besonders gewieft und risikobereit. Doch was diese Leute lieferten, wenn überhaupt, war entweder unbrauchbar oder unglaubwürdig. Die wichtigsten Nachrichtenquellen der Abteilung für die zweiwöchentlichen Berichte an die Admiralität waren immer noch die britischen Zeitungen.
    Unter dem Mützenschirm zieht der Kapitän die Brauen zusammen. » Und zum Abschied überreichte man mir einen Wunschzettel, mit dem dezenten Hinweis ›binnen Jahresfrist‹.«
    » Was steht denn ganz oben auf der allerhöchsten Wunschliste, wenn ich fragen darf, Herr Kapitän?«
    Der Offizier sieht sich um, ob niemand zuhören kann, aber sie sind ganz allein auf dieser Straßenseite. Trotzdem dämpft er seine Stimme: » An erster Stelle Rosyth am Firth of Forth. Oben in Schottland. Die Briten errichten dort einen großen Flottenstützpunkt. Wir wissen nichts darüber, wie der Ausbau fortschreitet, nur, daß er im Budgetjahr 1903 beschlossen worden ist. Die Arbeiten begannen angeblich erst im Sommer 1909. Das ist alles, Ende der Fahnenstange. Haut natürlich nicht hin, wir sind schließlich der Marinegeheimdienst.«
    Er schüttelt ärgerlich den Kopf. » Letztes Jahr haben wir einen Mann hingeschickt, der sich das ansehen sollte. Das ist jetzt acht Monate her. Bis heute haben wir nichts von ihm gehört. Ist geschnappt worden oder hat unser Geld eingesteckt und sich damit aus dem Staub gemacht.«
    » Rosyth?« Steinhauer zupft nachdenklich an seinem Schnurrbart. » War da nicht neulich ein Artikel in der britischen Presse, in dem kritisiert wurde, daß der Aufbau der Basis so langsam fortschreitet? Ich glaube, es hieß unter anderem, die Admiralität sei nicht mehr sicher, ob der Platz geeignet sei, und wolle die Flotte lieber weiter im Norden stationieren.«
    Der
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