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Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Titel: Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
Autoren: Gerhard Seyfried
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dessen Schulter noch einmal zu ihr hinzusehen. Sie hat ein Buch aus dem Regal genommen und blättert darin herum, aber sie scheint seinen Blick zu spüren, denn sie sieht auf, und diesmal wendet sie sich nicht ab, sondern erwidert seinen Blick mit einem so liebreizenden Lächeln, daß ihm beinahe die Knie weich werden. Was für eine bezaubernde junge Frau! Hilft sie ihrem Vater im Laden?
    Peterman muß sein Interesse doch bemerkt haben, denn er brummt: » Meine Tochter. Sie ist zu Besuch hier.« Ihren Namen unterschlägt er.
    Das Mädchen stellt das Buch zurück, gibt seinem Vater einen flüchtigen Kuß auf die Wange und verschwindet mit leise raschelndem Rock wieder nach hinten. Seiler hält sich noch eine Weile auf und liest eine Reihe Buchtitel, ohne daß ihr Sinn in sein Bewußtsein dringt, aber als sie nicht zurückkehrt, muß er sich schließlich auf den Rückweg zur Botschaft machen.
    Unterwegs grübelt er, was Peterman wohl gemeint hat, als er sagte, sie sei zu Besuch hier. Heißt das, sie wohnt in einer anderen Stadt? Oder wohnt sie irgendwo anders in London, ist vielleicht verheiratet? Ziemlich unwahrscheinlich, denkt er, daß eine so attraktive Frau noch nicht in festen Händen wäre. Und wenn ich ihr Avancen mache, lacht sie mich vermutlich aus.
    Dazu fällt ihm noch die Mahnung des Attachés ein, er solle sich möglichst zurückhaltend betragen, denn Deutsche seien in England zur Zeit ziemlich unbeliebt. Das liege an der panikartigen Furcht vor deutschen Spionen, die hier seit fast zehn Jahren umgeht, hatte man ihm in der Botschaft erklärt. Die Presse schüre diese Ängste nach Kräften, sehr wahrscheinlich aus innenpolitischen Gründen. Deshalb glaubten viele Briten, alle deutschen Kellner, Bäcker und Friseure in England seien Geheimagenten, die eine Invasion vorbereiten sollen. Das sei sogar so weit gegangen, daß die Regierung dem Parlament gegenüber offiziell erklären mußte, sie wisse nichts von achtzigtausend deutschen Soldaten, die sich in London aufhalten sollten und nur auf einen Befehl des Kaisers warteten, um sich aus einem geheimen Lager zu bewaffnen und dann schlagartig alle wichtigen Punkte in der City zu besetzen. Kapitän Widenmann hatte ihm eine Ausgabe der Weekly News gezeigt: » Ist zwar fast zwei Jahre alt, aber immer noch bezeichnend für die Germanophobie, die hier herrscht.«
    Die Schlagzeile auf der Titelseite lautete: FOREIGN SPIES IN BRITAIN ! £ 10 given for information! Have our readers met any spies?
    » Das sind stolze zweihundert Mark!«, hatte Widenmann dazu gesagt. » Die Redaktion soll innerhalb einer Woche Hunderte von Hinweisen erhalten haben.«
    London, Westminster, 5. Juli 1911, Mittwoch
    Drummond zieht seine Uhr aus der Westentasche: Schon Viertel nach acht! Kommt der Mann denn heute nicht? Dienstbeginn in der Deutschen Botschaft war offiziell um acht Uhr. Wenn er Pech hat, muß er den ganzen Tag hier herumlungern und den Eingang im Auge behalten. Früher oder später wird das jemandem auffallen. Der Bobby, der die Straße patrouilliert, wird ihn aber nicht verjagen. Für den ist er ein Scotland-Yard-Beamter, jedenfalls ist der Chief Constable entsprechend informiert worden.
    Seit einer Dreiviertelstunde steht Randolph Drummond am Ende der Carlton House Terrace, einer Straße zwischen Mall und Pall Mall im St. James Distrikt der City of Westminster. Im Blick hat er das Prussia House, das westliche der beiden großen weißen Stadtpalais, in dem die deutsche Botschaft ihren Sitz hat. Deren Lage könnte besser nicht sein, mit direktem Blick auf St. James Park, Horse Guards Parade und die Admiralität. Es ist ein freundlicher Sommermorgen, und das geschäftige Treiben auf der Straße läßt allmählich nach. Längst ist die Straße gekehrt, die Zeitungen sind ausgeliefert, und der Strom der Stenotypistinnen, Sekretäre und kleinen Beamten ist verebbt. Jetzt biegt ein Hansom Cab in die Straße ein, hält vor den London County Council Offices und entlädt einen beleibten Herrn, der eilig durch den Eingang verschwindet.
    Drummond schlendert etwas näher zum Waterloo Place hin, bis er die hohe Duke-of-York-Säule sehen kann, und zündet sich eine Zigarette an. Er ärgert sich, immer noch gibt es keine Ablösung für ihn. Das Bureau hat zu wenig Beamte, mit ihm und dem Chef nur vier, und dazu einen Sekretär. Das Secret Service Bureau ist erst im Herbst 1909 gegründet worden, um zu untersuchen, ob es stimmt, was die Presse und der Schriftsteller William Le Queux nicht
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