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Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi

Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Eva Rossmann
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[ 1. ]
    Er fiel mir direkt vor die Füße. Seine dunklen schulterlangen Locken waren dank einer halben Dose Haarspray noch immer perfekt, seine mit grünen Glitzerfäden durchzogene Trachtenjacke funkelte wie eben noch auf der Bühne, die unglaublich blauen Augen standen weit offen. Offen war auch der Mund. In beide Mundwinkel hatten sich tiefe Falten gekerbt, aus dem linken Mundwinkel floss Speichel. Ich wusste sofort: Downhill-Sepp war tot.
    Normalerweise schreit man, wenn einem eine Leiche vor die Füße fällt. Oder man läuft davon. Ich aber stand ganz still da und konnte gar nicht anders, als ihn anzustarren. Aus den Lautsprechern schallte der volkstümliche Sommerhit „Grüne Wiese, grüne Kühe, grünes Haus“. Das Telefon in der Künstlergarderobe begann zu klingeln und riss mich aus meiner Trance. Ich umkreiste den Toten vorsichtig, hob ab, ließ den Hörer aber wieder fallen. Was hätte ich auch sagen sollen?
    Ich rannte zur Tür und stieß beinahe mit dem Regieassistenten zusammen.
    „Was hat er denn?“, fragte der Assistent.
    „Er ist tot“, antwortete ich.
    „Warum tot?“
    Dumme Frage. „Holen Sie die Verantwortlichen! Und die Polizei!“ Dafür waren Assistenten schließlich da. Und ich war froh, an ihn delegieren zu können. Denn langsam, ganz langsam bekam ich weiche Knie. War das der Schock? Oder war es deswegen, weil ich den ganzen Tag nichts gegessen hatte? Wie konnte ich in dieser Situation nur an Essen denken?!
    Es dauerte nur einige Augenblicke, und schon war der stellvertretende Fernsehdirektor da, hinter ihm zwei aufgeregte Mitarbeiterinnen mit Stöpseln in den Ohren und einem Minimikro vor dem Mund. Der stellvertretende Fernsehdirektor ging neben Downhill-Sepp in die Hocke und legte zwei Finger an dessen Halsschlagader. Der Schweiß rann ihm dabei über die dicke Oberlippe. Als er bemerkte, dass seine Krawatte wie ein zu kleines Leichentuch am Bauch des Sängers lag, stopfte er sie mit einer raschen Bewegung zurück ins Sakko, so, als sei der Tod ansteckend.
    „Schnell, einen Arzt!“, rief er. „Und jemanden von der Sicherheit.“ Eine Mitarbeiterin gab den Befehl über ihr Mikro weiter. Erst jetzt nahm mich der stellvertretende Fernsehdirektor wahr und fragte mich wenig freundlich: „Was machen denn Sie da?“
    „Ich hatte mit ihm einen Interviewtermin.“
    „Das hat sich ja wohl erledigt. Gehen Sie! Sofort!“
    „Aber ich habe ihn gefunden.“
    „Sie gehören nicht zum Sender, das ist eine interne Angelegenheit.“
    „Das glauben Sie doch nicht im Ernst.“
    „Sie ist vom Magazin“, zischte eine Mitarbeiterin ihrem Chef zu. Als ob man in der engen Garderobe nicht jedes Wort verstanden hätte.
    „Sie werden keine Fotos machen.“
    „Ich bin Redakteurin, keine Fotografin,“ erklärte ich und sah mich zum ersten Mal mit beruflichem Interesse im Raum um. Mein Blick schweifte über einen Spiegel, einige Schminksachen, Notenblätter, eine dunkelblaue Aktentasche, einen Kleiderständer mit Jeans und einem grob gewebten Leinenhemd.
    „Gehen Sie!“, wiederholte der stellvertretende Fernsehdirektor.
    „Ich nehme an, dass die Polizei mit mir reden will. Außerdem: Berühren Sie ja nichts!“
    Er zuckte zusammen und stand auf.
    Eine dumme Sache für sein Unternehmen: Gerade noch hatte Downhill-Sepp in der großen Volksmusikshow seinen Schlager „Die letzte Abfahrt“ gesungen, und jetzt lag er da. Tot. Und er war ausgerechnet einer Journalistin vor die Füße gefallen.
    Immer mehr Menschen drängten sich vor der Garderobe im schmalen Gang. Die Tür stand halb offen, und ohne Downhill-Sepp wegzuziehen konnte man sie nicht schließen. Das Gemurmel wurde lauter. Ein Mann sagte: „Das war Mord, das kann nur Mord gewesen sein.“ Wenig später kämpfte sich eine Frau mit langen blonden Haaren durch die Schaulustigen und warf sich mit einem Schrei über den toten Volksmusikanten.
    Ich wollte nichts wie weg, mich irgendwo in Ruhe niedersetzen. Ich taumelte durch die Menge der Neugierigen, die, bemüht mehr zu sehen, gerne Platz machten. Am Ende des Ganges stand ein Mädchen mit weit aufgerissenen Augen. Seine blonden Haare waren zu straffen Zöpfen geflochten, und es wirkte in seinem rosa Trachtenröckchen seltsam unecht. Mir fiel sein Name nicht ein. Das Mädchen war der Kinderstar der Show, aber jetzt kümmerte sich niemand um die Kleine.
    „Wo ist denn deine Garderobe?“, fragte ich.
    Sie schüttelte nur den Kopf und lief davon.
    Zwei Stunden später saß ich in einem der
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