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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen
Autoren: Uwe Westfehling
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erinnerte mich an ein Bild, das ich bei Vater Sebastian gesehen hatte: Dame Fortuna. Da war sie auch schon an mir vorüber, und ihre schwer bewaffneten Ritter donnerten hinterdrein. Verwegen aussehende Kerle, in Eisen und Leder gerüstet. Einer wandte den Kopf zu mir, und mein Blick – o heilige Mutter! – fiel auf die leeren Augenhöhlen eines grinsenden Totenschädels.
    Da wurde ich an der Schulter gerüttelt, und der Kutscher schrie mich an: »Nicht schlafen, Junge, sonst fällst du mir noch unters Rad!«
    Was für ein Traum! So etwas wie diese Sänfte hatte ich noch niemals gesehen, und darum gibt mir bis heute zu denken, dass nur wenig später ein ganz ähnlicher Zug uns tatsächlich überholte. Allerdings waren die Vorhänge dieser Sänfte fest zugezogen. Schneematsch spritzte so heftig empor, dass ich von der Eskorte kaum etwas erkannte. Aber etwas ist mir dennoch aufgefallen: Als der Trupp schon fast wieder entschwunden war, bemerkte ich einen einzelnen Reiter, der hinterdreinsprengte, so dass man nicht recht sagen konnte, ob er dazugehörte oder sich nur hinter ihnen hielt, um zügig vorwärts zu kommen. Ich sah ihn übrigens nur von hinten, aber sein Pferd kam mir bekannt vor. Ein kräftiger Grauschimmel mit gestutztem Schweif. Auf dem Rücken trug der Mann eine Armbrust. Der Mann, der mich am Morgen gerettet hatte! Oder war ich womöglich wieder eingenickt und habe auch das nur geträumt?
     
    Am Nachmittag redeten die Fuhrleute darüber, dass wir bald aus dem Gebiet des Herzogs von Berg in den Machtbereich des Kölner Erzbischofs hinüberwechseln würden. Der Herzog und der Erzbischof ständen überkreuz. Genau wie andererseits die Stadt mit ihrem Kirchenfürsten.
    »Wie die zänkischen Hunde«, knurrte der Kutscher meines Wagens. »Einer will, was der andere hat.« Und alle um mich herum zerrissen sich das Maul über die regierenden Herren und ihre Launen. Die Fuhrleute reisten nicht gerne nach Köln, aber vom Herzog hielten sie auch nichts. Überhaupt pflegten die meisten von ihnen auszuspucken, wenn vom »Fürstenpack« die Rede war. Aber das taten sie natürlich nur, wenn sie unter sich waren.
    »Seit dieser Luther die Suppe umrührt, ist es noch ärger geworden«, schimpfte der Kutscher. »Aber man hält besser das Maul.«
    »Was soll’s«, knurrte jetzt einer der Trossknechte. »In Städten wie Köln nennen die Bürger sich frei, sie bieten den Fürsten die Stirn, und der Rat regiert. Na und? Da bestimmt dann, wer Geld hat. Ist unsereins da vielleicht besser dran?« So schwadronierten sie weiter, und ich hörte kaum noch zu, obwohl man viel dabei lernen kann. Sie langweilten sich. Es ging wieder einmal überhaupt nicht vorwärts. Neue Kontrollen, und diesmal zog es sich über Stunden hin. Mir war jetzt klar, dass wir die Stadt bis zum Abend nicht mehr erreichen würden. Der Kaufherr trat zu jedem einzelnen Wagen und redete nachdrücklich mit den Kutschern. Der, auf dessen Wagen ich saß, wurde unruhig und raunte mir zu: »Es ist besser, du verschwindest jetzt. Sonst krieg ich Ärger. Der Pfeffersack! Er kann fuchsteufelswild werden, wenn wir Fremde mitnehmen.« Und als ich schon neben dem Wagen stand, fügte er hinzu: »Sieh halt drauf, dass du in dem Weiler da drüben übernachtest. Das sind gute Leut’ …«
    »He, was gibt es da?«, hörte ich den Kaufherrn rufen. Da machte ich mich davon.
    Es ist seltsam. Auf diesem Wagen hatte ich nur einen halben Tag gesessen, aber als er entschwand, war mir, als verlöre ich wieder einmal ein Stückchen vertrauter Welt.
     
    Da stand ich über eine große Pfütze aus Schmelzwasser gebeugt und betrachtete mein Spiegelbild. Ziemlich schmächtig, diese Gestalt in den engen, gelb und grün gestreiften Hosen. Eine viel zu weite Jacke. Ein Busch aus widerspenstigem gelben Haar kamunter dem Hut hervor. Sieht aus wie ein Narr. Na und? War ich denn etwa nicht närrisch? Ich war dabei, mich alleine nach Köln durchzuschlagen, suchte einen Mann, den ich gar nicht kannte, der mein Vater sein sollte, und hatte nicht mehr in der Hand als vage Hinweise.
    Nachdenklich ging ich auf die zwei, drei Häuser zu, die an einer Hügelflanke in der Abenddämmerung kauerten. Vor der Scheune brannte ein kleines Feuer. Unter dem Dach war nicht viel Raum. Da lagerte eine Familie mit mehreren Kindern. Der Mann blickte mir wachsam entgegen und bellte: »Hier ist kein Platz. Mach, dass du weiterkommst!«
    Seine rundliche Frau stieß ihn an und flüsterte mit ihm. Dann rief sie: »Komm
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