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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen
Autoren: Uwe Westfehling
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geschehen?
    Da ist ein Reiter auf der Kuppe des Hügels erschienen; er zügelt sein Pferd und wendet es zur Seite. Er hält etwas in der Hand: eine Armbrust!
    Der zweite Kerl, der Hagere, hat den Reiter auch bemerkt und sucht Deckung zwischen ein paar struppigen Bäumen. Aber der Reiter prescht schon den Abhang herunter, in einer geraden Linie, die Armbrust ist nicht mehr zu sehen. Dafür zieht er blitzschnell, wie ein Habicht zustößt, einen langen Degen, der in seiner Hand aufblitzt. Ein rascher Hieb, und der Hagere liegt im Schnee.
    Was nun?
    Das Pferd kommt schlitternd zum Stehen. Ein kräftiger Grauschimmel mit gestutztem Schweif. Schaum fliegt von der Kandare. Der Reiter grinst zu mir herunter: Er entblößt zwei Reihen kräftiger Zähne. Mehr erkenne ich nicht. Er steht gegen die Sonne.
    Ich ducke mich tiefer in den Schnee. Hilflos. Endlich schlägt er sich auf den Schenkel mit einer Geste, wie man einen Hund verscheucht.
    »Hau ab!«, ruft er. »Sieh zu, dass du wegkommst! Hier hast du nichts verloren.«
    Ich raffe mich mühsam auf und beeile mich zu gehorchen. In meinem Kopf geht alles durcheinander.
    Nur weg von hier!
    Während ich davonhaste, verfolgt mich ein Lachen. Ich drehe mich um. Mein Lebensretter ist abgestiegen und beugt sich über den Hageren. Er greift unter die Jacke des Toten und zieht etwas hervor. Es ist ein Geldbeutel. Um den hingestreckten Körper hat sich ein großer roter Fleck gebildet.
     
    Ich rannte, ohne zu wissen, wohin. Ohne nachzudenken, stolperte ich weiter das Tal hinab, blind für alles um mich herum. Ich taumelte in eine Schneewehe. Mein Atem keuchte. Ich konnte nicht weiter. So ließ ich mich fallen und rang nach Luft. Langsam kam ich zu mir und fand mich zurecht. Kalter Schweiß am ganzen Körper und bittere Übelkeit. Der Magen wollte zum Hals heraus. Ich erbrach mich mit stechenden Krämpfen. Danach war es besser. Aber jetzt wirbelten erst recht die Gedanken in meinem Kopf. Wer war dieser Mann? Wieso war er gerade jetzt hier aufgetaucht? War es ihm darum gegangen, mir zu helfen? Vielleicht interessierte ich ihn gar nicht und er war einfach nur ein Straßenräuber. Mit welcher Selbstverständlichkeit hatte er dem Toten die Geldbörse abgenommen! Und doch kam es mir eher so vor, als habe er bewusst zu meiner Rettung eingegriffen. Dass er danach die Leichen geplündert hatte, erschien mir eher beiläufig. Außerdem: Was konnte bei denen wohl zu holen sein?
    Und wer waren diese Männer überhaupt gewesen, die in das Wirtshaus eingedrungen waren und mich verfolgt hatten? Ach, Gott: Es gab alles keinen Sinn. Wie um alles in der Welt sollte daraus einer schlau werden?
    Jäh von Ekel erfasst, wischte ich mir das Gesicht ab und versuchte, mit Schnee die Flecken vom Blut des Kerls auf meiner Jacke zu tilgen. Dann erhob ich mich.
    Es geht schon wieder, dachte ich. Du lebst. Das allein zählt.
    Ich blickte um mich, streckte mich und holte tief Luft. Das Tal war von märchenhafter Schönheit. Im Winterlicht glitzerte der unberührte Schnee. Das war fast mehr, als das Auge zu fassen vermochte. Kein Anzeichen mehr von Kampf und Tod. Als wäre alles nur ein böser Traum gewesen …
    Dabei brauchte ich nur ein kleines Stück zurückzugehen, dann hätte ich die Leichname wieder vor Augen gehabt. Ich schauderte. Natürlich würde ich das nicht tun. Auch zur Herberge zurückkehren konnte ich nicht. Auf gar keinen Fall!
    Was war wohl aus meinen Gefährten geworden? Schon der Gedanke an ihr Schicksal machte mich krank. Aber um keinen Preis hätte ich umkehren können! Ratlos stand ich auf der Stelle.
    »Hau ab!«, hallte es noch in meinen Ohren.
    In Wahrheit jedoch war es still. Eine so große Stille, dass mein Atem mir wie das Geräusch eines Blasebalgs vorkam. Und meine Schritte, als ich wieder begann, einen Fuß vor den anderen zu setzen: Knirschen und Krachen im krustigen Schnee, ein Getöse wie ein Mahlwerk! Ich hielt inne, um zu lauschen. Aber da war nichts als das Rauschen in meinen Ohren. Niemand folgte mir. Wenn auch meine Spuren nicht zu übersehen waren. Ich war allein. Schrecklich allein.
    Wohin? Es kam nur eine Richtung in Frage: weiter das Tal hinab. Am Bach entlang und über eine offene Fläche. Dahinter Buschwerk unter Schnee, ein Stück Wald, abgeholztes Gelände. Und wo das Tal zu Ende war? Wenn ich nicht das Glück hatte, meine Freunde wieder zu finden, konnte ich dann etwas anderes tun, als mich auf eigene Faust nach Köln durchzuschlagen? Das Haus von Vater Sebastian
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