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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen
Autoren: Uwe Westfehling
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Dann hätte ich sagen müssen, dass ich ihn gar nicht kannte und auf der Suche nach ihm war. Und dass ich Hoffnung hatte, ihn in Köln zu finden. Deshalb schließlich wollte ich in diese Stadt. Du musst zu deinem Vater gehen, hatte der alte Priester gesagt. Es ist Zeit. Dieser Mann wird dich zu ihm bringen… Und er hatte mir den Brief gegeben, den ich im Futter meiner Jacke trug. Aber von alldem sprach ich nicht gerne.
    Für kurze Zeit war es still, bis ihre leise Stimme wieder aus dem Dunkel kam: »Wer hat dir geraten, dich zu verkleiden?«
    Sei jetzt vorsichtig, dachte ich – und redete doch. Es muss am Wein gelegen haben.
    »Vater Sebastian. Er war das. Mit schlechtem Gewissen. Es sei gegen die Worte des Apostels Paulus, aber der Herr werde es schon verstehen. Ich sollte es keinem verraten. Auch Ahasver sollte es nicht wissen. Vielleicht hat er ihm doch nicht ganz getraut.«
    »Es ist nicht ungefährlich«, sagte sie. »Das muss dir doch klar sein.«
    »Ist es vielleicht nicht gefährlich, als Mädchen unterwegs zu sein?«, gab ich zurück. »Das solltest du wohl wissen …«
    »Gewiss. Aber wenn man es herausfindet …«
    »He«, fuhr ich auf, »du wirst mich doch nicht verraten, was?«
    »Wo denkst du hin.«
    Ich überlegte noch, ob ich ihr glauben durfte, als sie schon wieder fragte:
    »Und – er ist in Wirklichkeit gar kein frommer Mann, oder?«
    »Ahasver? Der hat viele Gesichter. Ich werde nicht schlau aus ihm. In Wirklichkeit glaubt er an gar nichts. Er ist immer gerade das, was ihm nützt. Eigentlich ist er Schausteller.«
    »Wohl eher ein Spitzbube.«
    »Ja. Das ist er …«
    Sie schien abzuwarten, ob ich noch etwas sagen würde. Aber ich schwieg.
    Da flüsterte sie: »Ich habe so eine Ahnung, dass er noch etwas anderes ist …«
    »Was meinst du?«
    »Weiß nicht recht.«
    »Sag schon.«
    »Verflixt! Ein Menschenhändler vielleicht. Ein Hexenmeister. Es ist etwas Unheimliches an ihm.« Sie bekreuzigte sich. »Vielleicht … ein Spion?«
    »Ein Spion?«
    »Einer, der …«
    »Ich weiß, was du meinst. Aber das glaube ich nicht.«
    »Geht mich nichts an«, sagte sie. »Aber dass er dich mitnimmt, das passt nicht zu ihm. Hat er Geld dafür gekriegt?«
    »Wie?«
    »Von deinem Pater.«
    Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. »Vielleicht«, sagte ich. Wahrscheinlich war es so.
    Jedenfalls nahm der Alte es nicht sehr ernst mit seinem Versprechen. Er ließ sich Zeit, es einzulösen. Fast ein halbes Jahr waren wir nun herumgezogen, ehe er die Richtung nach Köln eingeschlagen hatte. Ich hatte schon fast nicht mehr daran geglaubt.
    »Aber deine Verstellung«, sagte sie. »Das machst du nicht schlecht.«
    »Ach ja? Ich war als Kind schon ein Wildfang. Hatte lieber die Spiele der Jungen als die der Mädchen.« Sollte ich ihr sagen, dass ich heimlich geübt hatte, zu rotzen und zu spucken, und dass ich einige Kraftwörter regelrecht auswendig gelernt hatte? Lieber nicht.
     
    Etwas später murmelte sie, mehr zu sich selbst als zu mir: »Trotz allem: Du hast es gut! Mir ist es leid hier, und der Wirt, dieser geile Scheißkerl, ist ständig hinter mir her. Ich hätte nicht übel Lust, mich euch anzuschließen.«
    Darauf also wollte sie hinaus. Ob du dir das wünschen solltest?, dachte ich. Ständig unterwegs, überall beargwöhnt, manchen Tag kaum was zu essen…
    Ich war auf einmal sehr müde, aber sie gab noch immer keine Ruhe.
    »Ihr wollt nach Köln, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Du musst auf dich aufpassen, hörst du?«
    »Schon recht.«
    »Das ist mein Ernst. Komm in meinen Arm. Wir wollen schlafen.«
    Dann, kurz darauf, unter Gähnen: »Wie heißt du überhaupt?«
    »Katerine. Aber ich lasse mich Kat nennen. So könnte auch ein Junge heißen. Und du?«
    »Ich bin Rosanna.«
    »Rosanna?«
    »Mein Vater, na ja, der war nicht von hier.«
     
    Beim Einschlafen fühlte ich auf meiner Brust das Amulett, das der Alte mir gegeben hatte. Und den Brief von meinem Vater. Das Einzige, was ich von ihm besaß.
    In dieser Nacht hatte ich einen Traum, den ich schon früher geträumt hatte, mehr als einmal, immer wieder. Ich stehe auf einer weiten Ebene, es ist dunkel. Da erhebt sich etwas Großes, bedrohlich, in der Ferne. Ich kann nicht erkennen, was es ist. Es ist wie mit Schleiern umhüllt. Ich stehe still. Es steht still. Aber es wird sich bewegen.
     
     
     

RMBRUST UND D EGEN
    Stechender Schmerz in den Schläfen. Pelzige Zunge. Brummschädel. Als ich erwachte, musste ich mich erst zurechtfinden. Nur nach und nach wurde
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