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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen
Autoren: Uwe Westfehling
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Aufgabe, gegen Wetteinsatz die jungen Burschen zum Ringkampf herauszufordern. Er war es auch, der unseren Rückzug deckte, wenn es einmal Schwierigkeiten gab. Mein Part hingegen bestand vor allem darin, den Kranken zu spielen, wenn Ahasver seine Wundermedizin zum Verkauf anpries. Ich war der Patient, an dem er die Wirksamkeit vorführte und der dann plötzlich alle Gebrechen los war. In der Rolle war ich recht überzeugend, aber das Spiel eignete sich nicht für diesen Abend. Wenn wir darauf aus gewesen wären, hätte ich getrennt von den anderen und möglichst einige Stunden vor ihnen eintreffen und meine Leiden präsentieren müssen. Sonst wären nicht einmal die dümmsten Dorftrottel auf uns hereingefallen. Auch unsere Jonglierkünste – meine waren noch ziemlich bescheiden – würden heute nicht zum Einsatz kommen. Die wenigen Theaterszenen, die wir einstudiert hatten und die alle nur darauf ausgerichtet waren, das Bühnentalent des großen Ahasver glänzen zu lassen, kamen ebenfalls nicht in Frage. Man darf sich nicht als Gaukler und Schausteller zu erkennen geben, wenn man beim Spiel Gewinne machen will.
    Was Ahasver anging, so hatte er sich heute offenbar entschieden, eine besonders lohnende Beute in die Falle zu locken. Ich weiß wirklich nicht, wie er es fertig brachte, aber nach einiger Zeit, in der er sich, ohne sonderlich aufzufallen, hier und da herumgedrückt hatte, saß er plötzlich am Tisch des Kaufmanns und gab mit unbestreitbarer Würde eine seiner Geschichten zum Besten. Etwas später stieß mich Sambo in die Seite. Ich schaute hinüber und traute kaum meinen Augen: Sie schwenkten den Würfelbecher, auch die beiden Damen, und einmal sogar Hochwürden – falls ich mich da nicht doch getäuscht habe! Zu diesem Zeitpunkt war ich nämlich schon erheblich abgelenkt, weil mir bewusst geworden war, dassdas hübsche Schankmädchen ein Auge auf mich geworfen hatte. Es war schlank und schwarzhaarig und bewegte sich unter den Gästen mit einer herausfordernden Grazie, die fast etwas Tänzerisches hatte. Manchmal beugte die Schöne sich unbefangen zu einem Mann hinunter, so dass er leicht einen Blick in ihr Brusttuch werfen konnte, dann wieder wehrte sie – spielerisch, aber sehr entschieden – den Griff einer zudringlichen Hand ab, während sie andererseits dem einen oder anderen Zecher durchaus gestattete, ihren schmiegsamen Körper einmal herzhaft an sich zu drücken. Und zwischendurch schoss sie gelegentlich einen glühenden Blick ihrer dunklen Augen auf mich ab.
    Wenn du wüsstest!, dachte ich.
     
    Es war noch nicht besonders spät, als sich bei den meisten Gästen die Strapazen der Reise bemerkbar machten. Einige schliefen an den Tischen und auf den Bänken ein, andere breiteten sich Decken auf den Bodenbrettern aus. Der Kaufmann und seine Damen – sowie unser Ahasver! – bekamen die wenigen Kammern, die der Wirt zu vergeben hatte. Sambo und Pietro zogen sich in den Stall zurück. Mich aber nahm das Mädchen unauffällig beiseite und flüsterte mir zu: »Da, die Leiter hoch – auf den Heuboden.« Weiche Lippen berührten verheißungsvoll meine Ohrmuschel.
    Warum nicht?, dachte ich und unterdrückte ein Kichern. Sie hatte mir zwei oder drei Becher Wein gebracht, ohne mich dafür bezahlen zu lassen, und dieser Wein prickelte jetzt in meinem Kopf.
    Pietro, der immer alles mitbekam, drehte sich in der Tür um und zwinkerte mir zu. Niemand sonst schien auf mich zu achten. Mit unsicheren Knien stieg ich die Leiter hinauf.
    Dort oben war Platz, und es duftete angenehm. Durch die Ritzen im Boden sah ich, wie unten in der Schankstube die Kerzen gelöscht wurden. Bald ertönte ein vielstimmiges Schnarchkonzert.
    Die Luke ging auf, und die Schöne schlüpfte herein.
    »Gefällt es dir hier?«, fragte sie, und als ich zustimmte, fügte sie hinzu: »Gleich wird es dir noch viel besser gefallen.«
    Damit legte sie sich im Dunkel neben mich. Ich spürte ihr Haar in meinem Gesicht, einen schnellen Kuss – und ihre Hand, die zärtlich fordernd zwischen meine Schenkel glitt. Erstarrt hielt sie inne. Ich hörte einen tiefen Atemzug und dann ein glucksendes Lachen.
    Einen Augenblick lang war Stille. Dann flüsterte sie: »Du hast mich ja schön zum Besten gehalten. Ist das eine List von euch? Was führt ihr im Schilde?« Und plötzlich: »He, deine Freunde – sie wissen doch Bescheid?«
    »Dass ich kein Junge bin?«
    »Ja doch!«
    »Sie wissen es nicht. Ich habe es ihnen nicht gesagt.«
    Sie lachte wieder,
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